Liebe Pilzfreunde,
ich habe mir in letzter Zeit viele Gedanken zum Thema Pilzkartierung gemacht und möchte versuchen, ein paar wenige Aspekte meiner eigenen, persönlichen Ansicht darzulegen.
Als ich selber anfing zu kartieren, war gerade der Verbeitungsatlas der Großpilze am Entstehen. Ich wurde also quasi aktiv, als das große Projekt schon durch war. Nur warum hatte ich damals begonnen, Pilzfunde einzuschicken (am Anfang noch handschriftlich)? Nun, ortsbezogene Angaben zum Vorkommen von Pilzen dienen ja mehreren Zwecken.
Beispiel 1: Neubearbeitungen von Roten Listen. Ohne Datengrundlage kann man nicht entscheiden, ob Arten rückläufig sind oder zunehmen.
Beispiel 2: Vertragsnaturschutz. Man hört es immer wieder in den Medien. Ein Bauprojekt wird geplant und es werden Umweltverträglichkeitsstudien eingeholt. Welche Organismengruppen werden dort berücksichtigt? Pflanzen und diverse Tiergruppen (seien es Amphinien, seien es Käfer, Libellen...) aber praktisch keine Pilze.
Beispiel 3: Als datengrundlage für Forschung. Stichwort ökologische Kartierung, für die sich Krieglsteiner stark gemacht hatte. Wozu soll man denn so viele Umweltdaten erheben, die Waldgesellschaft bestimmen, den Boden-pH-Wert angeben (und viele weitere Punkte), wenn die Daten nicht diesbezüglich ausgewertet werden dürften.
Zunächst aber zu Beispiel 2:
Warum werden Pilze nicht oder kaum berücksichtigt? Es fehlt einfach die Datengrundlage. Haben denn die Naturschutzbehörden in ihren Datenbanksystemen Kartierungsdaten zum Thema Pilze? Wie soll dann auf die Schnelle geprüft werden, ob bei einem Bauprojekt eine Pilzart gefährdet würde? Eben - gar nicht, es sei denn, es wird explizit ein Mykologe beauftragt. Und der müsste aber vor Ort neu kartieren, da er ja auch keinen Datenbankzugriff hätte. Die Botaniker können hingegen - wenn sie Glück haben und die Fläche wurde früher begangen - auf die Biotopkartierungen zuückgreifen.
Als ich kartiert hatte, kam ich gar nicht auf die Idee, ich könnte oder sollte die Nutzungsmöglichkeiten meiner eingegeben Daten beschränken. Wozu mache ich mir dann überhaupt die Mühe, die Daten an eine Zentrale zu schicken? Für mich allein kann ich sie auch lokal auf meinem eigenen PC verwalten. Im Gegenteil - ich wäre ja froh, wenn meine Mühe sich irgendwie lohnen würde und auch meine Datensätze dazu führen würden, eine bessere Einschätzung der Gefährdung einer Art vornehmen zu können oder die Art gar vor Arealvernichtung schützen zu können und ebenso dabei der Grundlagenforschung zuzuarbeiten.
Was ist denn der Grund dafür, dass sich in Deutschland überhaupt Vereine gründen? Einfach: Gemeinsam kann man mehr erreichen.
Mich stimmt es sehr traurig, wenn ich mitbekomme, dass manche Datensätze aus den Kartierungsdatenbanken gelöscht werden müssen, weil jegliche Verwendung der Daten nachträglich untersagt wird.
Da ich persönlich immer nur idealistisch kartiert habe und die abgegebenen Datensätze weder zurückziehen möchte, noch die Nutzungsmöglichkeit derselben einschränken lassen möchte, sehe ich die Lage vielleicht zu idealistisch. Und zugleich zu pessimistisch... Warum gibt es keine FFH-Pilze? Warum werden Pilze im Naturschutz kaum berücksichtigt? Es gibt so viele Baustellen. Wenn wir uns jetzt sogar gegenseitig blockieren würden, indem wir selber keine oder nur eingeschränkte Daten zur Verbreitung von Pilzen austauschen könnten/würden, dann könnte ich kaum von Dritten erwarten, Pilze vermehrt in den Naturschutz einzubeziehen.
Im Moment scheinen wir recht weit davon entfernt zu sein und ich befürchte, dass wir ein paar Jahre an Zeit verlieren bzw. schon verloren haben.
Ich selber werde dennoch weiter Daten eingeben und werde diese auch weiterhin in keiner Weise bezüglich ihrer Nutzung einschränken. Ich hoffe, dass diese Haltung von vielen geteilt wird. Sollten sich die meisten für eine Einschränkung entscheiden, fürchte ich, dass wir die Ziele der Kartierung an den Nagel hängen können.
Dies sind nur ein paar Gedanken meinserseits. Diskussionen dazu - auch und gerade bei konträrer Meinung - sind herzlich willkommen.
LG
Christoph