Raw Food und (Wild)Pilze

  • Am Wochenende hatte ich einen Kursteilnehmer, der selbst gesammelte Pilze in seinen Speiseplan als Rohköstler integrieren möchte. Die Empfehlung geht ja von 15 - 20 Minuten Hitze bei der Zubereitung aus.
    Deshalb meine Fragen:

    • Sind Pilze überhaupt für Rohköstler geeignet? (Außer dem Zuchtchampignon)
    • Reicht Dörren bei 60 Grad, um hitzelabile Giftstoffe abzubauen?
    • War das bei anderen auch schon Thema?

    Ich freue mich über eure Antworten,
    viele Grüße
    Irmtraut

  • Hallo Irmtraut,


    Zu 1:
    Es gibt anscheinend auch im Champignon mutagene Stoffe, die erst bei Erwärmung zerfallen.
    Aber als Deko z.B. kann man den Orangebecherling roh essen.
    Ansonsten wird es mit Trüffeln dann teurer... ;)
    Pilzeiweiß ist aber grundsätzlich schwer verdaulich und ich sehe da keine echte Grundlage für Rohköstler


    Zu 2:
    Rohköstler haben eine 40 °C Grenze. Da fallen deine vorgeschlagenen 60 °C sowieso raus. Zumal man so heiß auch keine Pilze ordentlich gedörrt bekommt.


    Zu 3:
    Ich habe jetzt nur Pilzpulver zum Thema im Kopf. Da gab es schon Vergiftungserscheinungen, weil Birkenpilze mit verarbeitet wurden, das Pilzpulver aber erst zum Schluß ohne echte Erhitzung zur Geschmacksverstärkung über das Gericht gestreut wurde.


    Mein Fazit: Pilze sind eher nicht für Rohköstler geeignet.


    LG, Jens

  • Hallo Irmtraut,


    prinzipiell sind rohe und ungenügend gegarte Pilze giftig. Hitzelabile Toxine, die in zahlreichen Speisepilzen vorkommen, werden erst durch Braten oder Kochen über mindestens 15 Minuten bei über 100°C sicher zerstört.
    Es gibt nur wenige Ausnahmen von roh eßbaren Pilzen: Steinpilze, Kaiserling, Brätling, Zuchtchampignon, Wiesen - und Schafchampignon, ( von weiteren Egerlingen ist mir rohe Genießbarkeit nicht bekannt), Hexeneier, Trüffeln.
    Aber auch diese Arten sollten nur dünn geschnitten, z.B. als Carpaccio in kleinen Mengen verzehrt werden, da das Chitingerüst der Pilzzelle überhaupt nicht und das Pilzeiweiß nur schwer verdaulich ist.
    Manche Pilzfreunde geben zu Salaten auch Orangebecherlinge, Rote Gallerttrichter und Zitterzähne als optische Komponente und vertragen sie auch. Menschen mit empfindlichem Magen sollten auch auf den Rohgenuß dieser Arten verzichten.


    Kürzlich fragte mich ein Pizfreund, ob er seine getrockneten Faltentintlinge mit Alkohol verzehren könne. Ich habe ihm davon abgeraten, da der hitzestabile Acetaldehyddehydrogenase-Hemmstoff Coprin beim Trocknen nicht zerstört wird. Das gilt natürlich auch für Pilzpulver, worauf bereits in einer Zuschrift hingewiesen wude.


    Mit freundlichem Gruß
    Prof. Dr. Siegmar Berndt

  • Hallo Siegmar, hallo Jens,


    danke für eure Rückmeldungen! So erkläre ich das auch, war mir aber bei der (Dörr)temperatur dann unsicher - ob die auch ausreichend ist für hitzelabile Giftstoffe.


    Dass auch Speisepilze ungenügend gegart giftig sein können, das erstaunt immer wieder. Eine Dame hat mir neulich vehement widersprochen, sie würde sich schon immer beim Parasol-Putzen rohe Stücke davon in den Mund schieben.


    Pilzpulver bezieht ja auch Pilzpulver in Kapseln mit ein. Roh ist roh, egal in welcher Verpackung. Oder macht da die Menge den Unterschied? Auch spannend!


    Herzliche Grüße aus Darmstadt schickt


    Irmtraut

  • Hallo Irmtraut,


    also den Ring vom Parasol nasch ich auch seit eh und je roh. Und im Bergischen Land hab ich gelernt, dass man vom Hexenei (von Phallus impudicus!) den inneren "Keim" auch ganz gut roh naschen kann. Aber Ernährung ist ja nicht Naschen...


    Und wie Karl-Heinz schon schrieb.. was ist da drin in den Kapseln?


    Und ein wenig Offtopic:


    Ich bin ganz schön aufgewühlt über die ganze EDEL-FOOD-Schiene ala gluten- und laktosefrei und den extremen Veganerablegern, die teils auch ihre Hunde und Katzen vegan ernähren wollen. Wer nicht krank ist, macht sich krank. Gluten- und Lactoseintoleranz kann man sich nämlich anerziehen. Natürlich ist unser hoher Fleischkonsum das Letzte, aber alles total zu negieren auch. Anscheinend leben wir auf viel zu hohem Niveau. Anders kann ich mir das Luxusleben der Rohköstler oder Frutarier o.ä. nicht erklären. Veganer find ich übrigens völlig ok. Jedenfalls solange sie nicht vegane Schnitzel oder vegane Hühnerbrust kaufen. Da hört für mich dann jedes Verständnis auf...


    LG, Jens

  • Hallo Jens,


    ich habe ebenfalls nichts gegen Veganer, solange sie mich nicht missionieren wollen. Leben und leben lassen. Bei mir kommt auch nicht jeden Tag Fleisch auf den Teller, sondern 1-2 Mal pro Woche.


    Trotzdem fand ich den kürzlichen Xenius-Beitrag "Pilze: Die zukunft eines Nahrungsmittels" spannend:


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    Darin wurden u.a. Forscher der Uni Gießen, die alternative Proteinquellen suchen, interviewt. Sie ziehen in ihrem Labor den Austern-Seitling in Flüssigkultur. Als Substrat dienen Pressrückstände aus der Wein- und Fruchtsaftherstellung. Aus der filtrierten Fruchtkörpermasse stellen sie ein Pilzpulver her, das als Zutat für eine vegane Wurst verwendet wird. Geschmacklich und optisch soll sie einer echten Wurst in nichts nachstehen. Nur bei der Konsistenz gibt es Unterschiede, die wohl noch Entwicklungsarbeit erfordert.


    Warum nicht als Alternative zur Schweinezucht und der damit verbundenen Gülleproblematik?


    Gruß, Andreas

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