Hallo zusammen,
damit man ohne irgendeine Emotionalität (auch meinerseits) über diesen Artikel diskutieren kann, fange ich zum 3. mal an. Wer den parallel verlaufenden Thread gelesen hat, muß sich das alles nicht noch einmal durchlesen. Wünschen würde ich mir aber kritische sachbezogene Komentare, Richtigstellungen oder, es kann ja auch sein, dass ich iregndetwas völlig falsch verstanden oder übersehen habe?
In
Bandini D, Christan J, Eberhardt U, Ploch S, Tahir A, Oertel B, Thines M (2017) – Inocybe
sphagnophila sp. nov., a new species of the nodulose-spored subsection Napipedinae of genus
Inocybe (Agaricales). Mycol. Bav. 18: 11-3
gibt es Kritikpunkte, die ich hier gerne diskutieren würde.
1.
Zu den angegeben Sporenwerten von Dittes et al. Arbeit:
Zitat:
"Sporen (6,0-) 6,3-9,1 (-9,5) × (4,5-) 4,7-7,0 (-7,4) µm, Bandbreite der Mittelwerte
7,1-7,8 × 5,3-6,1 µm, Q = (1,0-) 1,1-1,6 (-1,7), Bandbreite der Q-Mittelwerte 1,2-
1,3 (n = 200 von 5 Koll.)"
Hierzu wird zu den Methoden angegeben:
"Sporenmaße wurden nach Heinemann & Rammeloo (1985) zitiert."
In der zitierten Arbeit von Heinemann & Rammeloo (1985) wird die
Sporengrößenangabe mit einem Mittelwert +/- Standardabweichung
vorgestellt.
Das wäre dann die Angabe (hier als Wertebeispiel) in der Form L x B = 8
+/- 1,2 x 6 +/- 0,9, wobei 8 und 6 jeweils der Mittelwert ist und 1,2
und 0,9 jeweils die errechnete Standardabweichung sind. (Heinemann &
Rammeloo (1985) S.373 )
Später, auf Seite 377, wird dann auf die danach in z.B. Pilze der
Schweiz verwendete Notation umgeschwenkt, da es eben auch Werte gibt (so
habe ich es verstanden, ist auf französisch), die nicht innerhalb eines
Konfidenzintervalls von 2*Standardabweichung liegen und diese Notation
es ermöglicht, gut lesbar in Klammern auf der jeweiligen
Konfidenzintervallseite die außen liegenden Meßwerte zeigen zu können.
Aber grundsätzlich geht es dort um Konfindenzintervallangaben auf Basis eines Mittelwertes unter Annahme einer Normalverteilung.
Die Angaben in Dittes Veröffentlichung lassen aber (eher) den auch schon
von Christoph Hahn im Pilzforum.eu getroffen Schluß zu, dass es sich um
MIN-MAX-Angaben handeln müsste. Umkehrschluß von mir: keinesfalls um
die nach der zitierten Veröffentlichung errechneten Angaben.
So wurde eben anscheinend nicht mit den von Heinemann und Rammeloo
(1985) beschiebenen 2*Standardabweichung gerechnet, denn dann müßte die
Bandbreite der danach bei Ditte et.al. angegeben Mittelwerte zum
"Konfidenzintervall?" der Einzelwerte passen,
.
Ich wundere mich aber sowieso, wieso man sich auf so eine zwar
richtungsweisende, aber heutzutage überholte Veröffentlichung zur
wissenschaftlichen Herleitung von Konfidenzintervallen bezieht.
Der Stand der Technik, der für Ingenieure gilt, wird doch wohl auch für Wissenschaftler als Stand der Wissenschaft gelten?
2.
Da allerdings wahrscheinlich nicht, wie in Dittes et.al. Arbeit
angegeben, mit Konfidenzintervallen gearbeitet wurde, leider dann die
Einzelmessungen aber auch nicht mit veröffentlicht werden, kann man die
getroffene Aussage, dass "Ein stabiles Merkmal von I. sphagnophila sind weiterhin die kleinen Sporen (im Durchschnitt < 8 µm lang)" nicht
nachprüfbar belegen. Denn, diese Angabe stimmt vielleicht für ihre 5
Kollektionen im Mittelwert, aber ob dies auch für weitere Aufsammlungen
und/oder Stichproben wahrscheinlich ist, kann man so nicht belegen.
Die Spannweite der angebenen Sporenlängen von 6,3-9,1 zeigt uns, das
diese Werte die zur Artabtrennung genannte 8 µm Grenze locker mit
einbeziehen, so dass eine weitere Stichprobe ohne weiteres auch über 8
µm im Mittel liegen könnte. Da der Schätzfehler nicht mit angegeben ist,
kann man da dann so ja leider keine genaueren Angaben zu machen.
Der größte angebene Mittelwert von I. sphagnophila sp. nov. liegt mit
7,8 µm auch so dicht an der 8 µm Grenze, dass auch hier eine echte
Abgrenzung ohne weitere Angaben zu diesem Wert aus meiner Sicht
fragwürdig ist, zumal ja, wie unter 5. beschrieben auch keine Angabe zum Präparat gemacht wurde, genauso wenig, ob Ausreißer gestrichen wurden.
Dass da eigentlich eine Hypothese zu bestätigen wäre, oder eben nicht,
habe ich hier zum allgemeinen Verständnis erst einmal ignoriert und es
ist auch nicht Usus in dem mir bekannten Teil der Mykologie, so zu
formulieren.
3.
Die Zahlen sehen künstlich verkompliziert aus, da erstens rundum bei den
Sporen und Kaulozystiden Extremwerte(?) in Klammern mit angegeben sind,
diese aber aufgrund der restlichen Werte ohne echte Konfidenzintervalle
keine belegbare Aussagekraft zu den erwähnten Trennmerkmalen haben und
zweitens sich diese Extremwerte(?) durch ihre extreme Nähe zu den
Spannweite-Werten durch was genau als Extremwerte qualifizieren?
Darauf wird nicht näher eingegangen und eine Notation in dieser Form
lässt sich aus zitierter Heinemann & Rammeloo (1985) Arbeit auch
nicht herleiten.
Ich könnte mir daher vorstellen, dass die Verfasser der hier kritisierten Arbeit sich mit ihrer Notation an
Kokkonen K, Vauras J (2012; online seit 2011) – Eleven new boreal species of Inocybe with
nodulose spores. Mycological Progress 11(1): 299-341.
(Liegt jetzt vor. Vielen Dank an euch!)
oder ähnlichem orientiert haben, da auch dort rund um die (innere)
Spannweite solche Klammerwerte mit angegeben werden, jedenfalls in den
Ausschnitten, die man im IT zu sehen bekommt. Inwiefern es sich dort um
Konfidenzintervalle handelt, entzieht sich aber leider meiner Kenntnis..
4.
Die Messungen von 5 Kollektionen wurden einfach zusammengeworfen. Das
sollte man nicht machen, wenn man nicht testet, ob alle Werte aller
Kollektionen überhaupt einer Grundgesamtheit angehören könnten. Man
sollte dann eher eine als typisch erkannte Aufsammlung mit ihren Werten
angeben und die der anderen Aufsammlungen dann zusätzlich anfügen. Ich
kann nur dazu raten, die Einzelmesswerte passend zu den Kollektionen
aufzubewahren.
5.
Es gibt keine elementaren Angaben zum Sporenpräparat (Quetsch, Abwurf
oder...). So würde z.B. ein Lamellen-Quetschpräparat i.d.R. durch
unreife Sporen zu kleineren Sporenmittelwerten führen und könnte
erklären, wieso Ditte die Sporen für kleiner hält, als die von z.B. I.
assimilata. (Bei Stangl übrigens 7-9 x 5-6 (6,5), was zumindest für I.
assimilata den Schluß der kleineren Sporenlänge auch ohne statistische
Vorgehensweise in Frage stellt)
LG, Jens