Lentinellus ursinus/castoreus-Verwirrung

  • Hallo zusammen,


    Lange Vorrede, kurzes Artportrait:


    Selten sind sich die herausragenden deutschen Bestimmungsbücher von GRÖGER und LUDWIG uneins, aber hier ist z.B. die Verwirrung total: Es geht um die Zählinge (oder Sägeblättlinge) Lentinellus ursinus und castoreus. GRÖGER akzeptiert zwei gute Arten, wobei die größere, sehr scharf schmeckende und mit stark amyloiden Sekeletthyphen L. ursinus (Fr.) Kühner ist. Soweit sogut. LUDWIG gibt diesem Artkonzept auch den Namen L. ursinus (Fr.) Kühner, weist aber in einer Anmerkung darauf hin, dass die meisten Autoren unter diesem Konzept L. castoreus (Fr.) Konr. & Maubl. verstehen. Bei GRÖGER steht allerdings L. castoreus (Secr. in Fr.) Kühner & R. Maire als gute Art da. In der BW-Funga sieht es wieder anders aus: Hier ist L. ursinus var. castoreus (Fr.) comb nov das, was für GRÖGER & LUDWIG L. ursinus (Fr.) Kühner ist, und das was für GRÖGER L. castoreus (Secr. in Fr.) Kühner & R. Maire ist, läuft bei KRIEGLSTEINER und L. ursinus (Fr.) Kühner var. ursinus.


    Unten stehend ein Fund von vorgestern, ich würde gerne mal wissen, was für einen Namen ich hier vergeben kann:-)


    Fundort: Kleines Tälchen, Jurakalk, Talgrund vermutlich lehmig, auf optimalmorschem Fichtenstamm, der am Boden lag.


    Hut – 200 mm breit, 70 mm tief und 10-15 mm dick, nierenförmig, seitlich am Substrat ansitzend, dachziegelartig, büschelig übereinanderwachsend, Hutoberfläche in der Mitte samtig, feinfilzig, am Rand glatter, runzelig, Hutrand etwas umgebogen. Huthaut kaum abziehbar, Geschmack der Huthaut scharf. Lamellen rel dicht gedrängt, mit Lamelletten durchmischt, cremefarben, Schneiden deutlich unregelmäßig gesägt, bis 10 mm breit, kaum ablösbar. Stiel so gut wie nicht vorhanden. Trama bräunlich holzfarben, sehr dünn, sehr zähledrig. Geschmack säuerlich bitterlich, schnell sehr scharf. Geruch säuerlich mit fruchtig aromatischer Komponente. Sporenpulver weiß, stark amyloid.


    Sporen [95% • 31 • SAP • v • H2O(nat)] : (3,4)3,5 - 4 - 4,5 x 2,6 - 3 - 3,4 µm; Q = 1,1-1,3-1,6; Vm = 19 µm³; breitellipsoid – subglobos, hyalin, mit Öltropfen, stark amyloid. Zystiden nicht observiert. Hyphenstruktur di (tri?)-mitisch mit dickwandigen, und stark amyloiden Skeletthyphen.


    Grüßle
    Jürgen

  • Hallo Zusammen,


    in Süd- und Ostbayern finden wir beide Arten regelmäßig und können Sie nach den von Karin schon vorgetragenen Merkmalen gut trennen.
    Wenn du mal ein schönes Bärenfäll an Laubholz findest, dann ist es vermutlich L. ursinus.


    LG, Peter

  • Hallo Karin und Peter,


    vielen Dank für eure praktische Handhabe in diesem Fall, es mag wohl bei den meisten Funden zum richtigen Ergebnis führen, nur ... was ist das richtige Ergebnis? L. castoreus in welchem Sinne?


    Laut Funga Nordica (2. Auflage), komme ich mit meiner Bestimmung zu L. ursinus (Fr.) Kühner, wie mit Gröger und Ludwig auch, und zwar, wenn ich die Größe der Fruchtkörper und die Substratbindung "entwichte":-), und das muss ich leider tun, weil beide Arten auf Laub- wie auf Nadelholz vorkommen können, und die Größe von Fruchtkörpern sowieso ein nicht sehr belastbares Merkmal ist. Für L. ursinus in drei Fällen (FN, Ludwig, Gröger) spricht die starke Amyloidität der Skeletthyphen und Sporen, der scharfe Geschmack, und der deutlich fruchtig säuerliche Geruch, der sich noch beim Trocknen sehr intensiv im Zimmer verbreitet. Ich habe sowieso den Verdacht, dass es sich hier nur um eine Art handelt, die in unterschiedlichen Altersstadien verschiedene Merkmale aufweist (intensität der Amyloidität, Fruchtkörpergröße, Aroma).


    Liebe Grüßle
    Jürgen

  • Gu´ Morgen Jürgen,


    Krieglsteiner vertrat die Meinung, dass die morphologischen Unterschiede zwischen den beiden nur quantitativer Natur sind und ordnete den Biber dem Bären auf Varietätenebene unter. Wobei die Amyloidität der Tramahyphen und die Größe der Frkp. seine einzigen Trennmerkmale sind. Ludwig hält die beiden sogar für konspezifisch, auch wenn er das in seiner Begründung ziemlich vorsichtig ausdrückt.
    Wenn Du die beiden Pilze, wie es ja auch Fries sicher nicht ohne Grund getan hatte, unterscheiden möchtest, dann bleibt Dir vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Konzepte der Autoren nichts anderes übrig, als zu den Friesschen Wurzeln zurückzukehren und die seither verfügbaren Kollektionen zu exhumieren, zu sequenzieren und zu dokumentieren.
    Interessant wäre für mich auch die Frage, was sich Fries bei der Namensvergabe gedacht hat.
    Mich brauchst Du jetzt aber nicht wegen Exsikkaten zu fragen, ich habe mein Herbar schon vor 10 Jahren dem KABV vermacht ;)
    Ob Dir das hier weiterhilft?: http://mbe.oxfordjournals.org/content/20/11/1909.full.pdf


    Naheliegend wäre für mich auch die Vermutung, dass der Pilz in den verschiedenen Holzarten und Standorten unterschiedlich viele Stoffe akkumulieren kann, die er z.B. als Amylose (oder Farb- und Geruchsstoffe) in den Hyphen einlagert und/oder für die Bildung größerer Fruchtkörper verwenden kann.


    Ich selber bleibe bei Laubholzbär und Fichtenbiber, nicht weil ich die Arten für grundsätzlich unterscheidbar hielte, sondern weil ich bedauern würde, wenn der Biber aus der Pilznamenlandschaft verschwände.


    Schöne Grüße
    Karin

  • Zitat

    Wenn Du die beiden Pilze, wie es ja auch Fries sicher nicht ohne Grund
    getan hatte, unterscheiden möchtest, dann bleibt Dir vor dem Hintergrund
    der unterschiedlichen Konzepte der Autoren nichts anderes übrig, als zu
    den Friesschen Wurzeln zurückzukehren und die seither verfügbaren
    Kollektionen zu exhumieren, zu sequenzieren und zu dokumentieren.

    Hallo Zusammen,


    letzte Woche haben wir auf der Bayerischen Mykologischen Tagung einen sehr gut aufbereiteten Vortrag von Geert Schmidt-Stohn zum Thema Sequenzierungen und deren Nutzen für unsere Artkonzepte gesehen. In der Diskussion wurden aktuelle Preise von 18 € je Probe genannt.


    Es gibt nun mindestens zwei Möglichkeiten, dieses und weitere Paare mit einem weiteren Entscheidungskriterium zur Artentrennung zu bereichern:


    1. Der/die junge Forscher/in lässt sich von seiner/ihrer Oma 2 x 3 Sequenzierungen von vorab morphologisch gut dokumentierten Kollektionen zum Geburtstag schenken.


    2. Die DGfM fördert in Absprache mit ihrer Schriftleitung solche Sequenzierungskosten für ihre Autoren der Z.Mykol. Wer also einen Artikel verfassen möchte zur Aufklärung von interessanten Gruppen bzw. Paaren, kann sich dazu vorab von der DGfM einen Finanzierungszuschuss sichern.


    LG aus Drübeck, Peter

  • Hallo Karin und Peter,


    vielen Dank für euere Anmerkungen, das Angebot für ZMykol-Autoren ist interessant. Ich denke mir, ich habe einen typischen L. ursinus am untypischen Substrat Fichte gefunden. Wegen mangelnder Erfahrung mit diesen Arten - ich fand erst einen typischen L. castoreus (im Sinne Grögers!), werde ich mir natürlich nicht anmaßen, hier ein neues Konzept auszurufen. Jedenfalls liegt mein L. ursinus als Exsikkat vor, und zwar nach den Empfehlungen von OERTEL & SCHMIDT-STOHN für eine Molekular-Untersuchung getrocknet. Wer Interesse hat, einfach melden.


    Karin, sollte ich mich jemals durch die Lentinellus-Exsikkate sämlicher Herbarien der nördlichen Hemisphäre durcharbeiten - im Rentenalter, vorrausgesetzt die Altersarmut frisst mich nicht auf - dann verspreche ich Dir hiermit, dass ich bei einer entdeckten Konspezifität beider Arten, den deutschen Namen "Bärenbiber" vorschlagen werde (Lentinellus ursineus (Fr.) Marqua 2052) *g*


    Grüßle
    Jürgen


    P.S.: Man muss mit solchen Phantasie-Taxa im Web aufpassen. Die werden von Suchmaschinen indiziert, und stehen dann irgendwann in Mycobank ;)

  • Andreas Kunze

    Hat das Label Expertenthema hinzugefügt.

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