Risspilz aus Madeira

  • Hallo liebe Risspilzler,
    bin soeben von einer Madeira-Reise zurückgekehrt und immer noch ganz begeistert von der Schönheit dieser Insel !
    Während einer netten kleinen Levada-Wanderung durch erstaunlich feuchten Lorbeerwald sah ich schon am Wegrand immer wieder Pilze (Täublinge, Ackerlinge, Lacktrichterlinge, Schwefelköpfe etc.). Als dann unter einem Lorbeerbaum ein schöner großer kräftiger Risspilz auftauchte (100 m weiter ein zweiter, vermutlich derselben Art), packte ich ihn in den Rucksack und machte am Wanderparkplatz ein Foto. Vom Habitus her erinnerte er mich etwas an I. asterospora.
    Auf dem Hotelbalkon wurden die 2 Pilze in der Sonne getrocknet und zuhause unter dem Mikroskop begutachtet.
    Es ist tatsächlich ein Höckersporer, neben schön sternförmigen Sporen finden sich aber auch wenig höckerige bis fast glatte Sporen (vielleicht sind die aber auch nur noch nicht reif ??). Die sternförmigen Sporen sind ca. 12 x 8 µm groß, die schwach höckerigen ca. 8 x 5 µm. Hymenialzystiden metuloid, mit Kristallen, ca. 55 x 15 µm, Wandstärke im Scheitelbereich bis 3 µm, Seitenwände schmaler. Kaulozystiden büschelig, lang und schlank (bis 115 x 18 µm gemessen), mit kürzeren gemischt (ca. 50 x 17 µm groß). Wandstärke seitlich 1 µm, an der Spitze 2 - 3 µm.


    Im Hotel notierte makroskopische Kurzbeschreibung:
    Hut: ca. 5 cm Dm., kegelig, fein faserig, ockerbraun, Rand unregelmäßig wellig und etwas nach unten eingebogen. Lamellen: eher etwas gedrängt, untermischt, ausgebuchtet angewachsen, hellgrau. Stiel: kräftig, ca. 8 x 1 cm, weißlich, längsfaserig, Spitze bereift, ziemlich gerade, aber Basis etwa 45 Grad abgewinkelt, basal mit ausgeprägter, gerandeter, knapp 2 cm breiter Knolle. Geruch: schwach spermatisch. Standort: bei Lorbeer (Laurus novocanariensis).


    Hat jemand eine Idee ?
    Und weiß jemand, ob der Pilzbestand Madeiras oder der Kanaren schon mal bearbeitet worden ist ?


    Viele Grüße
    Harald

  • Hallo Andreas,


    vielen Dank für Deinen Hinweis.
    Ich hatte den Pilz vorsichtig entnommen und mit bloßem Auge nur Reif an der Stielspitze gesehen.
    Jetzt habe ich gerade nochmal Proben von der Stielmitte und dem unteren Drittel angeschaut. Tatsächlich, es hat dort Kaulozystiden, allerdings bei weitem nicht so zahlreich wie an der Spitze. Das würde also für Deine Diagnose sprechen. Und makroskopisch passt es ja auch ganz gut.


    Viele Grüße
    Harald

  • Servus Harald,


    ein schönes Schwammerl - und das um die Jahreszeit! :) Vom Aussehen her wäre schon eine Marginatae zu vermuten (Stiel ganz bereift, ohne Cortina). Aus meiner Sicht gehört der Fund in die Verwandtschaft von I. praetervisa, wofür z. B. die recht rimöse Hutoberfläche spricht. Allerdings sind die Sporen schon sehr auffällig, und der Fundort ist für praetervisa selber auch unpassend. Könntest Du noch ein paar Mikrobilder von den Hymenialzystiden zeigen? Sind die Basidien alle 4-sporig? War der Stiel rein weiß(lich) oder zeigte sich beim Altern/Trocknen eine Bräunen oder Schwärzen?


    Im Mittelmeer-Raum gibt's schon einige "Inocybeologen", die auch fleißig publizieren. Eine Bearbeitung von Madeira ist mir aber nicht bekannt.


    Gruß


    Helmut

  • Hallo, stark höckerige, oft wunderbar sternförmige Sporen hat I. xanthomelas. (Bei der haben die Zystiden oft ziemlich lange Hälse.). Ich würde daher ebenfalls nach der Farbe der Stiele schauen....
    Liebe Grüße
    Ditte

  • Hallo Helmut und Ditte,


    danke für Euere Antworten.
    Der Stiel war rein weißlich, allenfalls ganz blass holzfarben, und in der Tat ist er beim Trocknen dunkelbraun geworden. Die Basidien waren 4-sporig, ich habe aber nicht so intensiv gesucht, d.h. möglicherweise gibt es auch ein paar 2-sporige.


    Kann denn die I. xanthomelas so groß werden ? Ich dachte, das wäre ein eher kleinerer Pilz. Beim Stangl-Buch ist er von den Maßen her schmächtiger.


    Und die Sporen ? Ich habe das Gefühl, solange sie an den Basidien hängen, sind sie fast glattrandig und entwickeln dann ihre Höcker.


    Ich habe noch 4 Zystiden- und 1 Sporenbild angehängt. Bei den Hymenialzystiden gibt es auch längere bis etwa 80 x 18 µm.
    Leider bringe ich die Zystiden nicht so scharf fotografiert, da sie nicht ganz in einer Ebene liegen. Stacken sollte man halt können ! :D


    Viele Grüße
    Harald
    Harald

  • Lieber Harald, ich habe I. xanthomelas schon häufig gefunden (die DNA-Analyse ergab auch Übereinstimmung mit Sequenzen, die von anderen als I. xanthomelas bestimmt waren). Die Fruchtkörper waren zum Teil richtig groß (5 cm und mehr). Und bei Ferrari 2010 steht auch: bis 6 cm. Ich häng dir mal ein Foto an. Der Hut sieht aus wie deiner, auch übrigens mit Erdkrümeln drauf. Und ein Mikrofoto, wo man die sternförmigen Sporen gut sieht.
    Liebe Grüße
    Ditte

  • Liebe Ditte,
    tolle Fotos !! Ich hatte schon bei Eueren Risspilz-Aufsätzen in der Z.Mykol. die genialen Bilder bewundert.


    Schön, daß der Pilz jetzt einen Namen bekommen hat. Ich habe das Exsikkat als Inocybe xanthomelas abgelegt.


    Vielen Dank nochmals für Deine Hilfe !!
    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag,
    Harald

  • (die DNA-Analyse ergab auch Übereinstimmung mit Sequenzen, die von anderen als I. xanthomelas bestimmt waren).


    Servus Ditte, Harald und alle interessierten Mitleser,


    die obige Formulierung von Ditte zeugt von einer gewissen Vorsicht, die m. E. auch berechtigt ist. Nach den gängigen Bestimmungsschlüsseln zeichnet sich xanthomelas innerhalb des Formenkreises durch grauenden/bräunenden/schwärzenden Stiel aus und durch große Sporen über 10 µm. Demnach gäbe es mit diesen Merkmalen nur eine Art.


    Da habe ich in meinem Fundus aber auch Kollektionen, deren abweichende Merkmale nicht mehr für nur eine Art akzeptabel erscheinen. Und auch die Kollektion von Stangl, die er in seiner Monographie (1989) aufführt, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit etwas anderes als die hier vorgestellte Aufsammlung. Ich habe vor längerer Zeit einmal den Stangl'schen Beleg aus dem Münchner Staatsherbar untersucht und einige Zeichnungen angefertigt. Was jetzt interessant wäre: Welche Merkmale weist das Typusmaterial auf? Leider habe ich die Originalbeschreibung nicht, um nachzuschauen, ob man damit weiterkommt.


    @Harald: Danke für die Vorstellung Deines schönen und interessanten Fundes in diesem Forum!


    Gruß


    Helmut

  • Hallo zusammen,


    bin zurzeit nicht zu Hause und habe demzufolge keine Lit. bei mir. Aber vielleicht ein Wort zu I. praetervisa, die ich in ihrer Formenvielfalt gut zu kennen glaube. M.E. muss diese relativ große und kräftige Art auf jeden Fall mit in die engere Wahl genommen werden. Makroskopisch stört mich zwar die kräftig gerandete Stielbasis, aber sonst finde ich keine deutlichen Abweichungen. Auch bei I. praetervisa waren die Hüte oft etwas erdbehaftet und die Stielbereifung nur an der Spitze zu sehen. Mikroskopisch kenne ich Kollektionen, bei denen die Sporen deutlich (namensgebend) zapfensporig und auch die ziemlich schmalen Zyst. durchaus dominierend waren. Beistehendes Bild stammt aus den 90er Jahren von einem Fundort, wo Praetervisa alljährich etwa im Juni-Juli fruktifizierte. Leider wurde das Biotop etwa 2002 zerstört.


    Übrigens kommen bei Lorbeer auf La Palma einige Risspilze vor, die in Mitteleuropa natürlich bei anderen Bäumen vorkommen. Funde von La Palma liegen mir bis dato auch nicht vor.


    PS.: Ich war 2001 zur selben Zeit auf Madeira, habe damals allerdings nur wenige Pilze und keine Risspilze gefunden. :(



    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo Andreas,


    hat denn Inocybe praetervisa auch die Eigenschaft, daß sich die Stiele beim Eintrocknen schwärzlich verfärben, oder ist das eine exklusive Eigenschaft von I. xanthomelas ?


    Danke Euch allen für die Diskussion, das ist für mich sehr interessant !
    Ich versuche jetzt seit 3 Jahren, mich in die Gattung Inocybe einzuarbeiten, aber ich muß feststellen, je tiefer man eindringt, desto mehr Fragen tun sich auf !
    Aber es macht auch Spaß, und es sind faszinierende Pilze. ;)


    Viele Grüße,
    Harald

  • Hallo alle,


    also zu dem Thema noch ein paar Anmerkungen von Bernd und mir. Am wesentlichsten ist zunächst einmal die Erstbeschreibung der I.xanthomelas und die in dieser gleichen Publikation damit
    verglichene I. praetervisa [Kühner,R. (1933), Notes sur le genre Inocybe III, les inocybes goniosporés(fin), Bull. Soc. Mycol. France 49, 81-121]:
    Hiernach
    handelt es sich bei I. xanthomelas um eine Art mit folgenden Eigenschaften: H. strohgelb, schmutzig gelb oder schmutzig bräunlichgelb, seidig faserig oder schwach gestreift bis rimos,
    St. weiß oder angedeutet gelblich, manchmal nach Reiben hell braun fleckig oder im Alter von oben nach unten schwärzlich-bräunlich werdend, St. mit gerandeter Knolle, Fl. weißlich bis graulich.
    Fleisch und St. im Herbar schwärzlich werdend.
    Sp. (7,7) 10 - 11,5 (12,7) / (5,7) 7 -8,7 (9,5) µm, mit 10-16 stark herausragenden konischen oderabgerundeten Höckern. Die Form der Sporen (auf Seite 85 fig.34A) ist teilweise asterospora-artig.
    Zystiden 43-68 / 9,5-18 µm, mit dicken und deutlich gelben Wänden (in KOH). Vorkommen: Laubwald mit Buchen oder anderen Bäumen (in solchen Wäldern haben wir unsere xanthomelasse stets gefunden).


    I. praetervisa hat laut Erstbeschreibung von Quélet eine gerandete Knolle; die Sporen gehen bis 11 µm; und ein Schwärzen des Exsikkates wird nicht erwähnt; auch bei Kühner, der praetervisa 1933
    ausführlich bespricht, steht nichts davon. Die Höcker der Sporen sind deutlich weniger erhaben als bei xanthomelas und nicht asterospora-förmig.


    Zum anderen ist es so, dass unseres Erachtens aufgrund von ein paar Mikrobildern und einem Makrobild eine solche Art nicht sicher zu bestimmen ist. Man müsste wissen, wie groß beispielsweise der Anteil an sternförmigen Sporen ist, wie groß die Sporen überwiegend sind, wie die Reaktion der Zystidenwände auf 3% KOH ist und wie die Zystiden im allgemeinen aussehen – also in der Menge.


    Zum dritten: Laut Bernds sehr kritischen Auswertungen der Sequenzen in den Internet-Datenbanken gibt es mehr als eine I. xanthomelas. Dazu passend beschreibt Kühner eine abweichende Form von xanthomelas (forme Lyonnaise) mit 7-12 sehr weit hervorstehenden Höckern auf den recht schmalen Sporen, Sp. (8,2) 8,5 - 9 (10) / (4,5) 5,5 - 6,5 (7,2) µm.


    Außerdem darf man nicht vergessen, dass es auch noch I. krieglsteineri gibt und die sehr ähnliche I. substellata.


    Die Erstbeschreibung von I.substellata besagt, dass die Zystidenwände hyalin bleiben mit KOH, die Sporen sind asterosporaförmig und in der Länge ähnlich wie xanthomelas, nur etwas breiter. Zur Herbarfarbe wird keine Angabe gemacht, allerdings kann der Stiel im Frischzustand schmutzig bräunen.


    Das alles bedeutet im Klartext, was ich- glaube ich – schon einmal im Forum schrieb, dass die Höckersporer noch extrem unterbearbeitet sind und dass sicher mehr Arten dabei rumkommen als angenommen. Außerdem weiß man doch gar nicht, ob nicht auf Madeira eine ähnliche Art wächst oder aber eine Varietät von einer der genannten Arten.


    Wenn die Stiele bei der Aufsammlung aus Madeira wirklich stark nachgedunkelt sind und zwar nicht nur an der Basis, sondern auf der ganzen Länge, spricht das für uns – was den Fund angeht – unter dem Vorbehalt des oben Gesagten, erst einmal für I. xanthomelas, in dem Sinn, wie wir sie nach der Erstbeschreibung, nach Kühner und u.a. nach Ferrari verstehen. I. krieglsteineri, die ebenfalls stark nachdunkelnde Stiele hat, schließen wir aus, weil die eine andere Sporenform und Sporengröße hat.


    Der Idealfall wäre, wenn wir von allen Inocyben eine DNA-Analyse des Holotyps hätten und könnten das dann mit unserem Fund vergleichen.
    Einen solchen Idealfall hatten wir gerade bei I. proximella, wo es eine Analyse des Holotyps gibt und unser Fund mit diesem sequenzmäßig identisch war. Aber das ist leider immer noch die Ausnahme und bei vielen alten Exsikkaten klappt das auch (noch?) nicht mit der Analyse.


    Soviel dazu. Liebe Grüße von Ditte und Bernd

  • Hallo Harald und die anderen,


    „hat denn Inocybe praetervisa auch die Eigenschaft, daß sich die Stiele beim Eintrocknen schwärzlich verfärben, oder ist das eine exklusive Eigenschaft von I. xanthomelas ?“


    Das kann ich erst beantworten wenn ich wieder zu Hause bin, und das wir erst wieder im Mai der Fall sein.
    Gruß Andreas

  • Hallo Ditte,


    das nenne ich mal eine höchst informative und ausführliche Antwort. Danke !!!
    Zum Pilz nochmals: der Stiel war rein weißlich und hat im Frischzustand nicht braun gefleckt (auch nicht beim Transport im Rucksack). Beim Trocknen wurde er auf ganzer Länge dunkelbraun-schwärzlich. Die Sporen waren ganz überwiegend asterospora-förmig und etwa 12 x 8µm groß, dies gilt insbesondere für die an der Stielspitze hängenden Sporen (die abgeworfen wurden und demnach auch reif waren).
    Die Zystiden in KOH müsste man nochmals prüfen, und den Gesamtaspekt der Zystiden müsste jemand mit entsprechender Erfahrung beurteilen. Auffallend fand ich auch die teilweise sehr langgezogenen und schmalen Kaulozystiden.


    Es deutet alles schon sehr auf I. xanthomelas hin.
    Aber: Madeira ist eine isolierte Insel, deren Flora einen nicht unbeträchtlichen Anteil von Endemiten beinhaltet. Warum sollte das nicht auch bei den Pilzen auf Varietäts- oder Artebene der Fall sein ? Darauf hattest Du in Deiner Antwort ja auch schon hingewiesen.


    Sollte jemand mal zu Vergleichszwecken das Exsikkat anschauen wollen, leite ich es auch gerne weiter.


    Viele Grüße,
    Harald

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