Hi Andreas,
ich denke nicht, dass Dein Anwendungsfall der wichtigste Grund für die BArtSchV ist, und in der Praxis wird so ein Pilzsammler eher in Kosmos: "Welcher Pilz ist das?" gucken, und ihn für einen Anhängsel-Röhrling halten (weil dort die Nadelwald-Art gar nicht enthalten ist), und lesen dass er streng geschützt sei. Oder er nimmt ihn einfach als "Steinpilz" mit, auch wenn er sich vielleicht über die gelben Röhren wundert.
Die Verordnung ist aber auch für solche Fälle gemacht:
Ein kommerzieller Pilzsammler hat die forst-, naturschutz-, und handelsrechlichen Genehmigungen besorgt, alle Speisepilze, die keinem speziellen Artenschutz unterliegen, zu sammeln und zu vermarkten. Dann nutzt er das Schlupfloch (wenn dieses denn eines ist?) und bietet kiloweise Nadelwald-Anhängselröhrlinge zum Verkauf an.
Ein Förster beschließt, ein gesundes Waldstück vorsorglich von Fichte zu Douglasie umzuforsten. Ein Naturschutzverband will das per einstweiliger Verfügung stoppen, weil dort ein Massenvorkommen an Anhängselröhrlingen bekannt ist.
Nur für so einen Fall lohnt sich vielleicht eine gerichtliche Klärung.
Ich kann nicht einsehen, warum Du der Meinung bist, bei DIESER Art müsste man sich solche komplizierten Überlegungen machen und bei anderen nicht.
Im Prinzip müsste man diese Überlegungen natürlich bei jeder Art machen. Glücklicherweise haben die Autoren der BArtSchV meist ganze Gattungen aufgelistet, da ist die Recherche etwas einfacher. Und viele Arten haben ja ihren Namen behalten, wie Amanita caesarea oder Gomphus clavatus. Ich bin gerade nicht im Bilde, was sich bei Lactarius tut, oder ob der Brätling (Lactarius volemus) auch ein Kandidat wäre, der "im weiteren Sinne" geschützt ist, weil sich mittlerweile mehrere Sequenzen dahinter verbergen.
Deine implizite Annahme, dass die BArtSchV nur dann rechtliche Bindung hat, wenn sie auch praxistauglich ist, teile ich aber definitiv nicht. Das hat der Gesetzgeber schon mit pinophilus und aestivalis gründlich vergeigt und damit das Gegenteil bewiesen.
Umgekehrt leuchtet mir folgendes nicht ein: Der Gesetzgeber schützt ein seltenes Taxon, das sich darauf als "Sammelart" erweist. Danach ist nur noch die s.str.-Art geschützt, so lange bis der Gesetzgeber seine Verordnung aktualisiert? Ab wann ist das genau? Mit dem Tag der Erstpublikation? Wenn die neuen Namen in Wikipedia übernommen wurden?
Sorry, so funktioniert unser Rechtssystem einfach nicht. Da werden eher alle Nadelbäume und ihre Mykorrhiza-Partner in DE aussterben, bevor eine Verordnung aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse seinen Umfang einbüßt.
Grüße,
Wolfgang
P.S.: meine Tochter studiert Jura, vielleicht kann sie mal ihren Prof nach seiner Ansicht fragen.