Auch in den "goldenen 90ern", als die PSV-Welt laut Christoph noch in Ordnung war, bestand der schriftlich fixierte Inhalt der PSV-Ausbildung jenseits der Artenkenntnis (ja, der Anhang war hilfreich, aber auch nicht perfekt) nur aus ein paar Bullet Points.
Servus Wolfgang,
ich habe nirgends von goldenen 90er Jahren geschrieben. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass für mich damals "die Welt" bzw. die "PSV-Welt" noch in Ordnung war.
Natürlich gab es damals auch Dinge, die schade waren. So z.B. die wenigen Orte, an denen man eine Ausbildung machen konnte. Auch deshalb hatte ich damals dann angeboten, selbst Kurse zu machen. Kurz nach mir stieg auch Andreas Gminder ein und hat auch angefangen, Kurse anzubieten.
Dass es bei einem Ausbilder gewisse Schwierigkeiten gab, spielt - denke ich - für das Grundprinzip dessen, was eigentlich gewollt war, keine große Rolle.
Ich habe bei meinen Kursen nicht jedes Jahr die gleiche Prüfung gestellt. Und es wurde nicht nur Artenkenntnis geprüft. Ich gehe auch mal davon aus, dass ein Vergleich der Prüfungsfragen von damals zu denen, die ich auf der Website hier lese, nicht unbedingt pro Neufassung ausfallen müsste.
Es ist aber klar - du musst das frühere System ja schlechtreden, damit das neue besser aussieht. Was du aber vielleicht bedenken solltest: du repräsentierst einen Verein, der sich seit Jahrzehnten für die Pilzberatung eingesetzt hat und dies tief in der Satzung verankert hat. Indem du dich ironisch über die 90er Jahre lustig machst, wirst du all dem, was dieser Verein auch damals aufgebaut hat, m.E. nicht gerecht.
Ich vergleiche mal:
damals:
Es gab eine Ausbildungsordnung und es gab eine nicht optimale, aber doch mit Inhalten gefüllte Prüfungsordnung.
heute:
es gibt keine Ausbildungsordnung mehr und die Prüfungsordnung wurde ebenfalls nahezu abgeschafft - sie ist inhaltsarm bis inhaltslos.
früher: die DGfM unterstützte die Ausbilder, machte aber auch Vorgaben, was Teil der Ausbildung sein müsse. Sie entschied auch, wer im Namen der DGfM ausbilden darf und hatte die Möglichkeit der Evaluation der Ausbildung. Was geprüft werden soll, war klar ersichtlich und der Rahmen für die Prüfung war bekannt. Er wurde auch überprüft, jedenfalls teils (bei mir kam z.B. ein Präsidiumsvertreter zu einer Prüfung, um zu evaluieren, wie meine Prüfungen aussehen (Vergleichbarkeit).
heute: die DGfM unterstützt keine Ausbilder mehr, sie macht keinerlei Vorgaben, was Teil einer möglichen Ausbldung sein kann - es ist egal, ob es Kurse gibt oder nicht, denn ob und wer ausbildet, ist völlig egal. Die DGfM hält sich raus. Nur, wer prüfen darf, wird - dafür recht bürokratisch - geregelt. Was geprüft werden soll, ist nirgends sichtlich.
Probleme damals:
Die Evalutation der Ausbildung war offenbar nicht immer erkennbar - es geht da um einen einzigen Ausbilder von früher.
Die schriftliche Prüfung hatte keinen allzu hohen Stellenwert - wichtiger war die Erfahrung des Ausbilders mit dem Kurstzeilnehmer in der Kurswoche und die praktische Prüfung.
Probleme heute:
Es ist völlig unklar, was geprüft werden soll. Man kann nur hoffen, dass die Prüfer ungefähr die früheren Ansprüche in der praktischen als Maßstab ansetzen (was aktuell wohl so ist).
Die Prüfungsfragen werden zentral vorgegeben, dafür sind viele einfach nur daneben (sorry - ist so).
Externe Prüflinge - hier fehlt jedes Kennenlernen, da die Kurswoche wegfällt. Der Prüfer weiß nicht, wie er die Befähigung zur Pilzberatung einschätzen soll (das war früher leichter).
Die Logik sagt doch:
Man kann doch nicht sowohl die Ausbildung kippen als auch die Inhalte der Prüfungsordnung rausschmeißen und dann bei diesem Informationsvakuum davon ausgehen, dass alles besser wird.
Man kann auch nicht alles auf die Zuständige Person im Präsidium schieben - sie hat eine Stimme von vielen.
Dass irgendwie alles im Hauruckverfahren durchgezogen wurde, sowohl an der MV vorbei (trotz Satzung) als auch - wie man hier lesen kann - teils an den Prüfern vorbei, ist, zusammen mit der Information, dass manche aus dem früheren FA geschasst wurden, andere zurechtgebogen werden sollten, erschreckend.
Und wenn es dann soweit ist, dass (mindestens) ein Ausbilder offen nachdenkt, heuer die Prüfungen zu canceln (wozu es jetzt nicht kommt), läuft m.E. wirklich etwas schief.
Das kann man aber gut wegwischen, indem man Vergleiche mit früher ironisch mit "damals war die Welt noch in Ordnung" und "goldene 90er Jahre" in den Kakao zieht.
Einsicht wäre der erste Weg zur Besserung. Einfach mehr Demokratie wagen - auch die Mitglieder mit einbeziehen und nicht über den Kopf aller Mitglieder Tatsachen festklopfen. Nicht unliebsame Meinungen aus dem FA rausschmeißen, sondern offen mit unterschiedlichen Meinungen umgehen. Weniger Autokratie - ich fände das wünschenswert. Und das finde ich schon lange in der DGfM wünschenswert. Ich hatte auch gehofft, das mit zu erreichen, als es in der DGfM zu einem Umbruch kam. Ich weiß aber auch, wie ich angefeindet wurde, als ich "wagte" in Drübeck ein Meinungsbild einzuholen, statt es einfach durchzuziehen (es ging um eine Neuerung hinsichtlich der Z. Mykol.). Das Meinungsbild widersprach der Meinung des Präsidiums (und meiner Meinung). Wir haben es daher nicht umgesetzt - und das war richtig so.
Mehr Offenheit, mehr Diskussion, weniger Hinterzimmerpolitik. Das geht. Das geht auch im Bereich PSV, da bin ich mir sicher.
Und auch bei Meinungsunterschieden kann man durchaus würdigen, was Vorgänger auf den Weg gebracht haben. In den 90er Jahren war nicht alles schlecht - und auch vorher und später nicht. Und heute ist nicht alles super und perfekt (vgl. Tintlingsartikel).
Bleibt für mich die Frage: Was ist an Demokratie so schwierig oder gefährlich?
Meine These: mit Offenheit - und dazu gehört auch Offenheit anderen Meinungen gegenüber - geht vieles leichter. Dann findet man auch eher Menschen, die sich in einem FA engagieren wollen. Die DGfM hat so viele Möglichkeiten und Ressourcen. Die muss man nur nutzen, statt irgendwelche Projekte mit Gewalt durchzuprügeln. Je mehr Mitglieder einbezogen werden, umso mehr Unterstützung finden diese Projekte. Dann muss man auch nicht behaupten, dass die Mitglieder alle dafür seinen und nur Fremde nörgeln. Diese Rhetorik ist völlig unnötig - zumal es inhaltlich nicht stimmt.
Liebe Grüße,
Christoph