Pilzberatung - "was nichts kostet ist auch nichts wert"?!

  • Hallo Miteinander,


    ich mach' mal an der Stelle einen neuen Thread auf. Ich finde Helmuts Aussage am Ende des vorangegangenen Threads bemerkenswert und vor allem auch zutreffend. Ich denke, dass die freiwillige / selbstlose Arbeit der PSV von den meisten Ratsuchenden überaupt nicht als solche wahr genommen wird. Irgendwie steckt da in den Hinterköpfen noch die Meinung drin, dass es sich bei Pilzberatung um eine staatliche Gratisleistung handelt. Zumindest in den neuen Bundesländern ist diese Meinung weit verbreitet.


    Möglicherweise sollte man in Zukunft auch andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen, wie aktuelles Pilzwissen an die interessierte Bevölkerung gebracht werden kann.


    Was mich an dieser Stelle brennend interessiert ist die Frage, wo bzw. wie die Pilzberatung hier in Deutschland ihren Anfang genommen hatte. Gibt es zum Thema vielleicht irgendwelche frei verfügbare Literatur. Und - auch interessant: wie wird das in anderen EU Ländern gehandhabt. Vielleicht weiss ja jemand von euch darüber Bescheid, wie es damit in Frankreich, Italien, den Beneluxstaaten oder auch in Polen bzw. Tschechien aussieht. Möglicherweise kann man sich ja etwas abschauen.



    In der Hoffnung auf eine weitestgehend reibungslose Konversation


    Grüßlis Ingo

  • Die ersten Pilzbestimmungsstellen sind in D kurz vor und während des 1. Weltkriegs entstanden. Dabei ging es vorrangig um Hausschwamm und Viehfutter und im 1. WK dann auch um Hausfrauenberatung wegen der gesammelten Nahrungsergänzung (1914 wurde z. B. in Halle/S. am bakteriologischen Institut von Prof. Raebiger eine solche Pilzbestimmungstelle gegründet). Nach Gründung der Deutschen Gesellschaft für Pilzkunde wurden diese Pilzbestimmungsstellen meist von Prof. oder Wissenschaftlern, die auch in der Gesellschaft waren, betrieben. Das Pilzberatersystem wurde systematisch durch das halbstaatliche System des "Reichsnärstandes" im III. Reich aufgebaut und diente tatsächlich der Eiweißsubstitution, sprich, der "Ernährung aus dem Walde".Auch hierbei spielte die DGfP namens deren Schriftführer Kallenbach eine treibende Rolle. Es gab dann die "Reichsarbeitsgemeinschaft Ernährungg aus dem Walde", deren Hauptaufgabe die "allgemeine Pilzaufklärung" und die Erschließung der wild wachsenden Eiweißreserven war. "Die Reichsarbeitsgemeinschaft Ernährung aus dem Wald sieht es als ihreAufgabe an, Ergebnisse der Wissenschaft zum Wohle von Volksgesundheit undVolkswirtschaft auszuwerten." liest man so in der 1941 erschienenen Deutschen Blättern für Pilzkunde., die die ZfP abgelöst hatten.


    Nach dem 2. WK wurde ein Pilzberatersystem im Osten a. G. eines Befehls der sowjetischen Militärkommandantur wieder eingeführt, weil es einfach zu viele Vergiftete gab. Das DDR- Pilzberatersystem, dass schließlich hierarchisch aufgebaut war und mit Bezirkspilzsachverständigen, Kreispilzsachverständigen und den einfachen Pilzsachverständigen umfassend wirkte, ist bekannt.


    Wie es sich nach dem 2. WK im Westen und generell in anderen Staaten verhalten hat, weiß ich nicht, bzw. nicht so komplett, dass ich es hier darlegen könnte.

    Einmal editiert, zuletzt von Peter () aus folgendem Grund: verschrieben - und zwar um 1oo Jahre

  • Hallo Peter,


    vielen Dank für die Infos zur Entstehung der PB in unseren Gefilden. Das machte seinerzeit sicher auch Sinn, da nach den beiden Weltkriegen Mangel an allem herrschte und Wildpilze, für den größten Teil der Bevölkerung, eine wichtige Nahrungsquelle darstellten.
    In den betreffenden Zeiten sind ganz sicher weitaus mehr Menschen auf Pilzpirsch gewesen, als heutzutage. Pilzbücher zum Nachblättern werden wohl auch nicht alle gehabt haben; von Internet ganz zu schweigen.
    Das Pilzwissen wurde zwischen den Generationen vererbt bzw. untereinander geteilt. Da die Konkurrenz in den Wäldern seinerzeit viel größer gewesen sein dürfte als Heutzutage werden oft auch ungenießbare und giftige Arten in den Körben gelandet sein. Zumal in jenen Zeiten auch immer professionelle Sammler unterwegs waren. Kurzum - damals war die Pilzberatung nach alter Schule ganz sicher eine sinnvolle Einrichtung.


    Und Heute !? Durchwühlen die aktuellen PSV tatsächlich die Fundkörbe der Sammler und sortieren nach gut und schlecht? Und heben mahnend den Zeigefinger, wenn das Sammellimit deutlich überschritten wurde?
    Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn die Sammler schon vor ihrem "Pilzgang" wüssten, welche Arten sammelnswert sind und welche Bestimmungen wie eingehalten werden müssen?


    Wobei - wenn ich mir die berühmte Artenschutzliste anschaue, dann sollte man auf Nachfrage auch stichhaltige Begründungen kennen, warum z. B. Gemeine Steinpilze (eigentlich ein regionaler Massenpilz) besonderen Schutz verdienen, Sommer- und Kiefernsteinpilze jedoch nicht. Nur mal zum Beispiel - da gibt es noch viel mehr.


    Grüßlis Ingo

  • Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn die Sammler schon vor ihrem "Pilzgang" wüssten, welche Arten sammelnswert sind und welche Bestimmungen wie eingehalten werden müssen?

    Hallo Ingo,


    was soll man darauf antworten? Außer: Selbstverständlich. ;)


    Nach meinen fast 25 Jahren Erfahrungen Oberbayern und seit 5 Jahren auch Niederbayern nimmt die Anzahl der pilzkundlichen Veranstaltungen stetig zu. Allein bei der VHS München gibt es ca. 10 pilzkundliche Wanderungen/Jahr, die i.d. Regel mit Wartelisten ausgebucht sind. Auch alle umliegenden kleineren VHS bieten pilzkundliche Veranstaltungen an oder würden es tun, wenn sie denn ausreichend Referenten hätten. Je mehr Veranstaltungen, desto mehr wird in den Medien berichtet, aber umso mehr Neulinge kommen auch in die Schwammerl. Ein Perpetuum Mobile also derzeit. Gut, dass wir die PilzCoach-Ausbildung eingeführt haben, so kommen Jahr für Jahr weitere mehr als 50 pilzbegeisterte Multiplikatoren hinzu.


    LG, Peter

  • Wobei - wenn ich mir die berühmte Artenschutzliste anschaue, dann sollte man auf Nachfrage auch stichhaltige Begründungen kennen, warum z. B. Gemeine Steinpilze (eigentlich ein regionaler Massenpilz) besonderen Schutz verdienen, Sommer- und Kiefernsteinpilze jedoch nicht. Nur mal zum Beispiel - da gibt es noch viel mehr.

    Unsere Landeskoordinatoren wurden bereits informiert, dass im zuständigen Bundesmiministerium trotz mehrfacher Ansprache derzeit keine Möglichkeit für eine Reform der Bundesartenschutzverordnung gesehen wird.
    Das Gesamtpaket ist ein durchaus wirksames Naturschutz-Instrument und würde in der aktuellen politischen Mehrheitslage höchstwahrscheinlich derart aufgeweicht, dass solche aus unserer Sicht wichtigen Korrekturen es nicht wert sind, das Paket aufzuschnüren.


    LG, Peter

  • Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn die Sammler schon vor ihrem "Pilzgang" wüssten, welche Arten sammelnswert sind und welche Bestimmungen wie eingehalten werden müssen?

    Ja klar, das ist im Grunde das erklärte Ziel! Dazu werden Exkursionen und Kurse angeboten und man kann sich durch Literatur und das Internet informieren.


    Wie sieht die Praxis aus? Von den Menschen, die zu mir in die Pilzberatung kommen, haben fast die Hälfte (so schätze ich jetzt mal) keinen blassen Dunst von der Materie. Da kommen tatsächlich welche, die mir erzählen: "Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie Pilzberatung machen. Da bin ich jetzt mal in den Wald gegangen und habe gesammelt. Aber ich habe keine Ahnung...". Andere finden was in ihrem Vorgarten und wollen wissen "kann man die essen?"
    Natürlich macht einem die andere, wissende Hälfte umso mehr Spaß, weil man dort sieht, dass auch Vernunft und Verstand am Werk sind.


    Was will ich damit sagen? Wir sind noch auf einem langen Weg...


    Beste Grüße
    Harald

    Landeskoordinator Pilzkartierung Hessen

  • Das Gesamtpaket ist ein durchaus wirksames Naturschutz-Instrument und würde in der aktuellen politischen Mehrheitslage höchstwahrscheinlich derart aufgeweicht, dass solche aus unserer Sicht wichtigen Korrekturen es nicht wert sind, das Paket aufzuschnüren.

    Hallo Peter (K),


    damit läuft man aber Gefahr, dass diese Verordnung nicht nur in Frage gestellt sondern auch weitestgehend ignoriert wird. Wenn z.B. auf einer Bundesautobahn ein Tempolimit eingerichtet ist, wird zumeist auch eine Begründung dazu angegeben.


    Wenn z.B. Pfifferlinge (auch C. cibarius ist örtlich ein gemeiner Massenpilz!) im allgemeinen schützenswert sind, sollte es einen Grund dafür geben. Z. B. dass sie stark im Rückgang begriffen sind bzw. sogar vor der lokalen Ausrottung stehen. Man findet für dieses Beispiel hier und da Hinweise in der Literatur, dass Pfifferlinge in den letzten Jahren allgemein rückgängig seien. Das mag so um 1990 gewesen sein. Nun denn - in regenreichen Sommern sind Pfifferlinge nahezu die einzigen Speisepilze die massenhaft in märkischen Kiefernwäldern anzutreffen sind. Ich kenne Leute, die sammeln die eimerweise - jedes Jahr! Man müsste schon alle Kiefern fällen....


    Insoweit stellt sich mir auch die Frage, wer die Einhaltung dieser Verordnung überwacht. Der Förster? Das Ordnungsamt? Sind die eigentlich auch ausreichernd geschult, um Morcheln von Birkenpilzen unterscheiden zu können. Oder Trüffel von Erdnüssen !? ^^


    GR Ingo

  • Wie sieht die Praxis aus? Von den Menschen, die zu mir in die Pilzberatung kommen, haben fast die Hälfte (so schätze ich jetzt mal) keinen blassen Dunst von der Materie. Da kommen tatsächlich welche, die mir erzählen: "Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie Pilzberatung machen. Da bin ich jetzt mal in den Wald gegangen und habe gesammelt. Aber ich habe keine Ahnung...".

    Hallo Harald,


    das hatte ich fast befürchtet. Durch das Angebot der (althergebrachten Art) der Pilzberatung werden Bürger also dazu animiert in den Wald zu gehen und dort, ungeachtet aller Roten Listen, Bundesartenschutzverordnungen und Sammelbegrenzungen soviel Pilze einzusacken, wie sie tragen können.


    Gibt es eigentlich einen Tatbestand wie "Beihilfe zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit"?
    Die Nachkriegszeit ist ja nun schon ein paar Tage her.


    Wobei - Gartenfunde sind was Feines. 8)


    Grüßlis Ingo

  • Durch das Angebot der (althergebrachten Art) der Pilzberatung werden Bürger also dazu animiert in den Wald zu gehen und dort, ungeachtet aller Roten Listen, Bundesartenschutzverordnungen und Sammelbegrenzungen soviel Pilze einzusacken, wie sie tragen können.

    So kann es durchaus sein, aber was wäre denn eine "neumodische" Art der Pilzberatung?
    Den Erziehungsauftrag hat man ja als Lehrender in Sachen Pilze sowieso.


    Mit Nachkriegszeit hat das übrigens wenig zu tun, es spricht eher den Jagd- und Sammeltrieb des Menschen an. Denn Rote Listen, Artenschutzverordnungen und Sammelbegrenzungen interessieren Otto-Normal-Pilzsammler herzlich wenig.


    Grüße
    Harald

    Landeskoordinator Pilzkartierung Hessen

  • Hallo Ingo,


    ja, es wäre ganz gewiss sinnvoller, wenn die Leute vor dem Sammeln wüssten, was für Pilze sie mitnehmen können.


    Ja, es gibt bei uns vor allem in der festen Pilzberatungsstelle in Magdeburg, die abwechselnd von 4 PSV besetzt wird, Schlangen von Leuten, die mit ihren Körben dort hinkommen um sie "durchwühlen zu lassen (bzw. sie kippen sie meist auf den Tischen aus. Einige sind grundsätzlich mehrfach im Jahr da, lassen ihren Korb kontrollieren und bringen mal einen ihnen unbekannten Pilz mit und wollen wissen, was das ist.
    Es kann durchaus sein, dass allein die Existenz dieser Beratungsstelle Unwissende verführt in den Wald zu gehen und einzuraffen, was geht, weil es ja dann eine Instanz gibt, die kontrolliert.


    Ich selbst biete keine Zeiten an, werbe nicht, trotzdem kommen ab und zu Leute nach vorherigem Anruf hier an (ganz selten mal ohne vorherigen Anruf) weil sie grad in ihrem Garten was gefunden haben und wissen wollen was das ist, es kommen Leute von Waldtour und wollen ihre 2 Körbe kontrolliert haben (ein Vater mit ca. 9 jährigem Sohn kommt regelmäßig und fragt mir Löcher in den Bauch, aber es bleibt bei dem Knaben jedesmal was hängen, denn beim nächsten mal erzählt er mir was er gefunden hat, "weil ich es ihm doch das letzte mal sagte". Die stecken aber auch regelmäßig ein 2-Euro - Stück oder einen kleinen Schein in die Sparbüchse des LVPS, die dann auf dem Tisch steht.


    Es kommen aber auch Leute, die nach 20 Jahren Genuss einfach mal wissen wollen, ob die Champignons im Vorgarten auch wirklich Wiesenchampignons sind. Es war aber noch niemand hier, der mir tatsächlich einen solchen vor die Nase hielt. Aber die Ossis vertragen eben halt auch Karbolchampinons ohne hinterher Klobrillenabdrücke auf den beiden Backen vom überaus langen Sitzen zu bekommen.


    Die Alternative, keine Pilzberatung mehr anzubieten und keine Führungen mehr zu machen führt also ganz sicher zum Rückgang der Pilzsammler, führt aber auch zu mehr Nierentransplantationen und mehr Toten nach Vergiftung. (Und zu weniger Leuten, denen wir erklären können, wie schön die Dinge der Natur doch sind).


    Da es keine Meldepflicht für Pilzvergiftungen mehr gibt, seltsamer Weise aber für Salmonellose, an der in der BRD aber wahrscheinlich weit weniger Leute sterben als an Pilzvergiftungen, kann man nur mit großer Fehlerwahrscheinlichkeit aus bekannten Zahlen für die DDR hochrechnen:


    In besagtem Ossiland gab es von 1971-1989 exakt 47 erfasste Todesfälle nach Pilzvergiftung. Pro Jahr 2,5 Tote also. Dazu kamen pro Jahr durchschnittlich 117 vergiftete Personen, die ärztlich vorstellig und behandelt werden mussten. Das auf 17 Mio Einwohner. Rechnet man jetzt auf die angegebenen 83 Mio Deutsche hoch ergibt das ....


    Und jetzt kommt noch kurz die Fehlerbetrachtung:
    Ich denke/glaube, dass im Osten verhältnismäßig mehr gesammelt wurde. Jetzt gibt´s für jeden Verbraucher Pilze in der Büchse im allerbilligsten Supermarkt und als Frischware im Gemüseregal - zu Ostzeiten wurden Champignons als Frischware quasi nur unterm Ladentisch gehandelt und die Dinger in Büchsen für Horrorpreise nur in den Delikat-Shops. Die Motivation mal Pilze essen zu können wenn man sich selbst welche sammelt, war also eine andere.


    PS: Ich habe mich ganz oben in meinem Beitrag natürlich verschrieben, es jetzt aber verbessert. Die 1. Pilzberatungsstelle auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt wurde 1914 bgründet.

  • Wenn z.B. Pfifferlinge (auch C. cibarius ist örtlich ein gemeiner Massenpilz!) im allgemeinen schützenswert sind, sollte es einen Grund dafür geben. Z. B. dass sie stark im Rückgang begriffen sind bzw. sogar vor der lokalen Ausrottung stehen. Man findet für dieses Beispiel hier und da Hinweise in der Literatur, dass Pfifferlinge in den letzten Jahren allgemein rückgängig seien. Das mag so um 1990 gewesen sein. Nun denn - in regenreichen Sommern sind Pfifferlinge nahezu die einzigen Speisepilze die massenhaft in märkischen Kiefernwäldern anzutreffen sind. Ich kenne Leute, die sammeln die eimerweise - jedes Jahr! Man müsste schon alle Kiefern fällen....

    Hallo Ingo,


    das sind die Schwächen einer Bundesverordnung, die noch aus Zeiten vor der Wiedervereinigung stammt. Sie spiegelte die starken Rückgänge im güllereichen Westdeutschland wieder. Mal schauen, wieviele Jahrzehnte es dauert, bis in Ostdeutschland die N-Überschüsse ähnliche Werte erreichen. Es wird ja fleissig Gülle z.B. aus den Niederlanden importiert und auf den weiten Feldern verklappt. Die N-armen märkischen Waldböden werden aber hoffentlich noch lange so pilzreich bleiben wie bisher.


    Auch die Tatsache, dass die reine Sammeltätigkeit im Verhältnis zu den gravierenden Umweltschäden aus intensiver Land- und Forstwirtschaft kaum eine Rolle spielt, spiegelt sich nicht in der Verordnung wieder, denn beide werden ja quasi ausgenommen, sofern sie "ordnungsgemäß" handeln.


    BG, Peter

  • Insoweit stellt sich mir auch die Frage, wer die Einhaltung dieser Verordnung überwacht. Der Förster? Das Ordnungsamt? Sind die eigentlich auch ausreichernd geschult, um Morcheln von Birkenpilzen unterscheiden zu können.

    Zuständig für die Umsetzung sind die Naturschutzbehörden. Auch die Waldbesitzer könn(t)en tätig werden. Beide haben aber i.d. Regel wichtigere Themen auf ihren überfüllten Arbeitstischen. Letzlich greift diese Verordnung (wie viele andere Regelungen auch) im Falle einer Anzeige. Dann müss(t)en die zuständigen Stellen tätig werden.


    Zur letzte Frage: Pilzkundliche Schulung für Mitarbeiter der zuständigen Stellen? Davon habe ich noch nie gehört. I. d. Regel hat das Thema so wenig Relevanz, dass dann eher Kontakt zu bekannten Pilzsachverständigen zur Beratung gesucht wird.


    BG, Peter

  • Auch die Tatsache, dass die reine Sammeltätigkeit im Verhältnis zu den gravierenden Umweltschäden aus intensiver Land- und Forstwirtschaft kaum eine Rolle spielt, spiegelt sich nicht in der Verordnung wieder, denn beide werden ja quasi ausgenommen, sofern sie "ordnungsgemäß" handeln.


    BG, Peter

    Moin Peter (K),


    wenn ich dich richtig verstanden habe, hat die (private) Pilz-Sammeltätigkeit keinen signifikanten Einfluss auf das allgemeine Pilzaufkommen. Vielmehr sind es menschgemachte Umwelteinflüsse (Gülle etc.), die sich darauf nachteilig auswirken.
    Die Zerstörung der Biotope wirkt sich sicher am gravierendsten aus.


    Ich würde sogar davon ausgehen, dass die menschliche Sammeltätigkeit überhaupt keine nachteiligen Einflüsse auf das allgemeine Pilzaufkommen hat. Darüber gibt es ja bereits mehrere wissenschafliche Untersuchungen.
    In den Notzeiten nach den Weltkriegen wurden ganz sicher weitaus mehr Pilze in den heimischen Wäldern gesammelt. Hinzu kam seinerzeit auch noch die gewerbliche Sammelei. Ich vermute, dass diese obendrein völlig unreglementiert ablief.
    Dennoch waren die Wälder in jenen Zeiten vermutlich weitaus arten- und pilzreicher als heutzutage.


    Insofern stellt sich mir die Frage, wozu die aktuellen Reglementierungen überhaupt taugen.
    Das wäre in etwa so, als wenn irgendeine Autobahnmeisterei / Gemeinde auf einer platten, 3-spurigen Bundesautobahn mal eben auf einem 20 Kilometer langen Teilstück ein Temolimit von 120 km/h anbringt - ganz ohne jede Begründung.


    Es sei denn, das Ziel besteht darin, dass mittel- oder langfristig die Pilzssammlerei und das Betreten der Wälder generell behindert werden soll.


    Übrigens - die Erholung des Pilzaufkommens in den märkischen Kiefernwäldern scheint direkt mit dem Zusammenbruch der DDR zusammenzuhängen. Durch den extremen Rückgang der industriellen Luftverunreinigung erholten sich seit dem Jahr 2000 etliche Arten, die in anderen Bundesländern als verschollen bzw. ausgestorben gelten. Nicht nur in der Gattung Tricholoma!


    Grüßlis Ingo

  • Insofern stellt sich mir die Frage, wozu die aktuellen Reglementierungen überhaupt taugen.

    Bei den Pilzen haben wir ja aktuell dass Problem einer nicht mehr dem aktuellen Wissensstand entsprechenden Artenauswahl. Blicken wir mal über den Tellerand hinaus, dann sollen mit der Bundesartenschutzverordnung ja nicht nur die Arten selbst, sondern auch ihre Lebensräume geschützt werden. Eine Farce ist natürlich, dass die "ordnungsgemäße" Land- und Forstwirtschaft immense negative Auswirkungen auf den Artenschutz hat.


    Beste Grüße, Peter

  • Durch das Angebot der (althergebrachten Art) der Pilzberatung werden Bürger also dazu animiert in den Wald zu gehen und dort, ungeachtet aller Roten Listen, Bundesartenschutzverordnungen und Sammelbegrenzungen soviel Pilze einzusacken, wie sie tragen können.

    Servus Ingo,


    zumindest früher - ich meine damit die 90er Jahre, da ich davor keinen Kontakt zur Pilzberatung hatte - war es wichtig, als Pilzberater auch aufklärerisch hinsichtlich Naturschutz vorzugehen. Der gute, alte Titel "Pilzberater" enthält ja gerade das Wort "beraten". Man gibt Tipps.


    Wenn jemand mit einem Stoffbeutel Röhrlingsmatsch zu mir käme, dann begutachte ich den gar nicht, sondern berate den Sammler dahingehend, welches Sammelgefäß besser ist und welche Gefahren unechte Pilzvergiftungen bedeuten.


    Und bringt mir jemand Königsröhrlinge in die Pilzberatung, dann weise ich freundlich aber deutlich auf dessen Seltenheit und den Schutzstatus hin.


    Zumindest früher sollten die Pilzberater auch Umwelterziehung betreiben. Jedenfalls war das das, was ich bei meinem Kurs bei Walter Pätzold gelernt habe und was für mich damals für die DGfM noch wichtig war. Die althergebrachte Art wäre das, was man aus den 50er Jahren (und davor) aus Zeitungsartikeln kennt.


    Ich sehe eine Rückbesinnung auf die ganz alten Zeiten und sehe das mit Sorge. Es wird (zurecht) das Problem der Landwirtschaft (Überdüngung etc.) angesprochen, darauf hingewiesen. Und da das ja viel schlimmer ist als das Verhalten von Sammlern, ist man nur noch Spaßbremse, wenn man auch hier an Artenschutz nur denkt. Jedenfalls kommt mir so manches so vor, wenn ich in den blassgelblichen Seiten manche Ergüsse lese.


    Und gehen die Argumente aus, dann wird gerne auf die Egli-Studie als Totschlagargument verwiesen, auch wenn die viel weniger aussagt, als in sie hineininterpretiert wird.


    Ich finde Pilzberatung wichtig, gut und richtig, wenn es eine Beratung ist. Ich war auch noch nie Sortieranstalt. Und mir wird kein Röhrlingsmatsch gebracht - und wenn doch, dann nicht mehrfach. Ich berate dann nicht, was die Arten angeht, sondern nur, was das Sammeln betrifft.


    Den Satz "Was nichts kostet, ist nichts wert" lehne ich entschieden ab. Ehrenamt ist wichtig und gut. Wenn manche Kapitalisten darüber lächeln und Ehrenamt abtun, dann sollen sie es. Das ändert nichts daran, dass man auch in unserer Gesellschaft altruistisch sein kann. Das ist aber ein eher generell politisches Thema, dass Ehrenamt nicht mehr von jedem als wertvoll angesehen wird und betrifft niemanden hier in dieser Diskussion.


    Ich würde mich allerdings freuen, wenn die Pilzberatung in der DGfM wieder den Stellenwert von früher bekäme. Und will man wirkliche Berater, müssen sie mehr wissen und können als reine Artenkenntnis zu besitzen und Baumgattungen zu erkennen. Und gerade das, was dazu gehört, kann man m.E. nur durch einen Kurs erlernen - man braucht die Tipps aus der Praxis.


    Deshalb kann ich mich mit der Einstellung der DGfM nicht mehr identifizieren. Natürlich ist Land- und Forstwirtschaft stark für den Artenschwund verantwortlich. Deshalb aber aufzuhören, auch selbst im Kleinen nachhaltiger zu denken und zu handeln, finde ich falsch. Man kann nicht alles durch Totschlagkeulen niederschmettern. Ja, es mag ja sein, dass es "schlimmer" ist, ein Steak vom Discounter zu grillen als ständig Königsröhrlinge zu sammeln (bewusst plakatives Beispiel). Das macht aber das Sammeln von Königsröhrlingen nicht besser.


    Früher wurden PSV unterstützt, wenn sie Nachhaltigkeitsgedanken beim Pilzsammeln unter die Leute bringen wollten. Jetzt wird das m.E. als Spaßbremserei aufgefasst. Es ist leicht, auf die Großen zu schimpfen und dadurch von sich selbst abzulenken.


    Für mich bleibt Pilzberatung viel mehr als Korbsortiererei. Deshalb braucht es passende Kurse und eine passende Unterstützung. Sich gegen zu viel Gülle auszusprechen ist richtig. Sich gegen "man muss wirklich alles in sich reinstopfen, was irgendwie essbar zu sein scheint" auszusprechen, sollte deshalb aber nicht unter den Tisch fallen.


    In unserer "No risk no fun"-Gesellschaft (Zitat aus den blassgelben Seiten) für Nachhaltigkeit beim Sammeln auszusprechen, ist eben Spaßbremsentum. Wer sich gegen das "man rupft alles" ausspricht, wird dann süffisant in den blassgelben Seiten vorgeführt und verhöhnt. Im nächsten Myzelian wird dann erörtert, dass das alles nur Neider sind, Frührentner oder Beamte (ein Unwort in der DGfM?), die den anderen das (hemmungslose?) Rupfen missgönnen, dafür aber Steaks vom Discounter kaufen.


    Eigentlich müssten sich gerade die PSV gegen solche plumpen und dummen Aussagen aussprechen. Aber wozu, wenn die Landwirtschaft allein an allem schuld ist?


    Wozu also überhaupt noch Pilzberatung? Doch besser Sortierstation für Mykophagen? Dann wäre auch klar, warum es sinnvoll ist, dafür Geld zu nehmen. Denn dann ist es keine Nachhaltigkeitsberatung und kein Begeistern für alles, was im Reich der Pilze jenseits des Kochtopfs interessant ist, sondern eine reine Dienstleistung, die man sich auch bezahlen lassen könnte.


    Ich bin gespannt, wie das Profil der PSV-Tätigkeit der DGfM in sagen wir mal 10 Jahren aussieht...


    Liebe Grüße,
    Christoph

  • Hallo bzw. Servus!


    Vielen Dank für die bisherigen Rückmeldungen. Zumindest in Bayern und in Sachsen/Anh. scheint die (Pilz)Welt ja noch in Ordnung zu sein.
    Der im Parallelbeitrag von A. Kunze angesprochene Zeitungsartikel stammt ja aus der Lausitz bzw. aus Südbrandenburg. Persönlich bin ich seit ca. 20 Jahren regelmäßig in Wäldern in der Nähe von Müllrose / Frankfurt/Oder unterwegs.
    Wenn es dort, meist in regenreichen Herbsten, nennenswerte Pilzaufkommen gibt, sind die Straßenränder in den Wäldern mit Autos vollgeparkt und die Wälder sind voll von Pilzsammlern.


    Ab und zu konnte ich auch mal einen Blick in andere Fundkörbe werfen und es kamen auch hin und wieder, meist kurze, Gespräche zustande.
    Der Anblick in den Körben bzw. Tüten der lokalen Jäger und Sammler erwies sich zumeist als unspektakulär. In der Regel wird Maronenröhrlingen nachgestellt bzw. Steinpilzen, wenn die mal ein gutes Jahr haben. Schon Pfifferlinge werden weitaus seltener mitgenommen. Was daran liegt, dass die Meinung vorherrscht, dass man mit Röhrlingen nicht viel falsch machen kann.


    Die meisten Pilzsammler sind in dieser Region mit geerbtem Wissen unterwegs. Irgendwann vor 25 Jahren war man mal mit Opa oder anderen Verwandten "in den Pilzen". Die hatten zwar mehr Arten gesammelt, aber die "Braunkappen" sind als einzig unbedenkliche Art im Gedächtnis hängen geblieben.


    Einige male hatte ich auch nachgefragt, was die Leute denn vom Besuch bei einer offiziellen Pilzberatung hielten. Meist erhielt ich als Antwort, dass es in der Region keine mehr gäbe bzw. dass keine Beratungsstelle bekannt sei.


    Dazu sollte man wissen, dass es in Frankfurt/ Oder schon einen (älteren) Pilzberater gibt.
    Der wurde in der lokalen Presse (MOZ FFO), in den vergangenen Jahren, im einmal jährlich erscheinenden, obligatorischen Pilzbeitrag genannt - mit Kontaktdarten- irgendwann Mitte August. Allerdings scheinen einige lokale Medien nicht mehr dazu geeignet zu sein, alle potentiellen Interessenten zu erreichen.


    Die scheinbar fehlende Beratungsmöglichkeit führte also dazu, dass die meisten Leute zwar relativ einseitig sammeln, aber es nach wie vor rege tun. Zumindest in der lokalen Presse (s.o.) war in den vergangenen Jehren nichts von zunehmenden Vergiftungsfällen mit Pilzen zu lesen.


    Interessant wird es dann in vielleicht nochmal 25 Jahren, wenn auch das Spezialwissen um die braunhütigen Röhrlinge in Vergessenheit geraten ist.


    Grüßlis in die Runde - Ingo

  • Hallo Ingo,


    zumindest im Sauerland in der Nähe von Soest gibt es einen PSV, der den Pilzsammlern schon mehr beigebracht hat. Ich kenne seinen Namen nicht mehr, aber wenn ich mit Sammlern ins Gespräch komme, was ich hin und wieder gerne tue, wurde er positiv erwähnt.
    Viele der Pilzsammler im Sauerland sind aber Deutschrussen oder Deutschpolen und die kennen sich, wenn ich mal in die Tüte schauen durfte, erstaunlich gut aus. Korb ist da eher selten. Die kommen übrigens dann zurück, wenn wir frühstücken...


    LG, Jens

  • Hallo Jens,


    Inzwischen lebe ich 15 Jahre im Sauerland und habe versucht durch Lehrwanderungen, Vorträge usw. Menschen für Pilze zu begeistern. Der Erfolg ist sehr mäßig. Meist läuft es auf die Frage: "essbar oder nicht?" hinaus. Zudem sind dummerweise die wenigen wirklich interessierten Personen weggezogen.
    In meiner früheren, fränkischen Heimat war es auch nicht die Pilzberatung - obwohl es dort ein gutes Netz an Pilzberatern gab - sondern eher die große Pilzabteilung der NHG die Personen für das Hobby gewinnen konnte.

  • und habe versucht durch Lehrwanderungen, Vorträge usw. Menschen für Pilze zu begeistern. Der Erfolg ist sehr mäßig. Meist läuft es auf die Frage: "essbar oder nicht?" hinaus.

    So siehts oft aus. Ein Großteil der "Pilzfreunde" beschränkt sich auf die Pfannenmykologie und die hört am Tellerrand auf.


    Grüße
    Harald

    Landeskoordinator Pilzkartierung Hessen

  • Möglicherweise sollte man in Zukunft auch andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen, wie aktuelles Pilzwissen an die interessierte Bevölkerung gebracht werden kann.


    Eine dieser anderen Möglichkeiten bestünde zum Beispiel darin, dass unsere Pilzsachverständigen Pilzkurse durchführen. Also nicht nur Lehrwanderungen, sondern direkt auch die Vermittlung von theoretischen Grundkenntnissen anbieten. Wobei der Focus nicht darauf liegen soll, weitere PSV auszubilden. PSV sind ja keine Ausbilder.


    Dafür könnten z. B. ein bis zwei Doppelstunden a. 90 Minuten, für den Anfang, ausreichend sein. Ein wenig Urschleim und Ökologie. Danach ein wenig Artkunde. Diese auch gerne mit lokalem Bezug. Wenn ich in Berlin (einer Sandbüchse mit vorwiegendem Kiefernbestand) lebe, muss ich mich erst einmal nicht mit montanen, calcophilen oder thermophilen Arten beschäftigen. Die Verwechslungsmöglichkeit von Pfifferlingen mit Ölbaumtrichterlingen (zum Beispiel) ist in unserer Region eher überschaubar.
    Vielleicht könnte die DGfM ja einen didaktischen Rahmen für derartige Kurse erarbeiten, damit das Ganze nachvollziehbar bleibt.


    Wie sich das bei der Abhaltung solcher Veranstaltungen gehört, sollte der "Lehrer" in diesem Fall mindestens eine Aufwandsentschädigung für seine Unkosten und eventuelle Lehrmaterialien einfordern können.
    Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass es in größeren Ballungszentren (Berlin sowieso) genügend Interessenten für solche Kurse gibt.


    Allen hier ein schönes WE - Ingo

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