Cheilozystiden - Randhaare

  • Hallo,


    In der Theorie ist die Unterscheidung ganz einfach:
    Echte Cheilozystiden entspringen im Subhymenium, Randhaare in der Trama.
    In der Praxis ist dies aber oft sehr schwer zu beurteilen. Wenn irgendwo an der Schneide einige wenige, mehr oder minder zylindrisch geformte Zellen zu beobachten sind, sollte man vorsichtig sein. Dann hat man es fast immer mit Randhaaren zu tun, die in keinem Schlüssel auftauchen.
    Übrigens ist eine sterile Schneide auch nicht immer ein Garant für Cheilozystiden. So wird z.B. bei E.serrulatum immer von Cheilozystiden gesprochen (und so auch in Schlüsseln verwendet) obwohl hier das Hymenium ganz einfach nicht bis zur Schneide reicht und deshalb dort die Trama freiliegt. Echte Cheilozystiden Fehlanzeige!


    Gruß
    Gerhard

  • Hallo Gerhard,


    mir ist es letztes Jahr bei einer Art aufgefallen, die ich als pseudoturci bestimmt hatte:


    Im Schlüssel wird von "Cheilocystiden" gesprochen, aber die dort abgebildeten Zellen (die in der Schneiden-Aufsicht schön pallisadenartig parallel herausstehen) sind nur undifferenzierte Trama-Endhyphen.


    Ich habe sogar die Vermutung, dass fast(?) alle gefärbten "Cystiden" in Wirklichkeit Randhaare sind. Das würde auch anatomisch Sinn ergeben, denn das würde ihre Verwandschaft zu den Huthaut-Zellen (mit derselben Pigmentierung) herausstellen.


    Ich gebe Dir Recht: in der Praxis ist es schwer zu beurteilen, weil es gute Präparation erfordert (was am Exsikkat zumindest meine Fähigkeiten übersteigt). Ich glaube aber, dass die Unterscheidung taxonomisch recht wertvoll wäre.


    Grüße,



    Wolfgang

  • Hallo zusammen,


    nur ein kleiner Einwurf meinerseits zu Begrifflichkeiten.


    Auch das Subhymenium gehört - streng genommen - zur Trama. Der Begriff "Trama" wird nur sehr häufig unklar oder unsauber verwendet. Das ist bei vielen exakt definierbaren Begriffen der Fall (z.B. heißt hyalin nicht farblos, sondern durchsichtig - es gibt also auch hyline Strukturen, die gelb sind). Odewie es keine Septen mit Schnallen gibt, wenn man es ganz genau nimmt, denn eine Schnalle ist per def. der gesamte Apparat mit zwei Septen (und zwei Doliporen) - ein Septum an der Verbindung Schnallenbogen-Zelle, das andere Septum wie immer; oder Hyphe (Zellfaden) vs. Zelle (man liest oft "Hyphen bis 70 x 3 µm", dabei können das ja wohl nur Zellen sein - oder noch besser "Endhyphen" statt "Endzellen").


    Bevor ich aber als Haarspalter gebrandmarkt werde...


    Der Begriff Cystide ist hingegen äußerst unsauber definiert. Für manche sind Cystiden nur "echt", wenn sie auf der Höhe der Basidien entspringend im Hymenium sitzen, für andere ist das jede differenzierte, sterile Endzelle (so z.B. Myzelcystiden, die bei Entoloma häufig sind - die Rhizomorphen zeigen z.B. gerne schöne Cystiden).


    Man denke an Pileocystide (bei Russula sogar Endzellen, die nur durch Anfärbbarkeit auffallen sind dort Cystiden). Ich vermute, dass bei Entoloma auch ein Problem die unterschiedliche Interpretation der Begrifflichkeiten ist / sein kann.


    Ich persönlich würde empfehlen, verwirrende Unterscheidungen zwischen Cheilocystiden, Pseudocheilocystiden, Randhaaren und Marginalzellen zu unterlassen.


    Grund: Bei anderen Pilzgattungen gibt es alle Übergänge (z.B. Boletus - mal entspringen auch Pleurocystiden auf Basidienhöhe, mal aus tieferen Schichten (Lateralstratum)). Neutraler und für nicht-Spezialisten nachvollziehbarer wäre es, dann von verschiedenen Cystidenausprägungen zu sprechen, wenn diese sauber unterscheidbar sind. Beispiel: Zwei Typen von Cheilocystiden - die einen auf Höhe der Basidienbasen, die anderen aus tieferen Tramaschichten entspringend (wenn auch von der Form unterscheidbar kann man das dazu schreiben).


    Ist nur ein Vorschlag.


    Meine Basis der Merkmalsbenennungen: Die sogenannte "Agerer-Schule", da ich ja unter anderem Agerer-Schüler war.


    LG
    Christoph

  • Hallo Christoph,


    Auch das Subhymenium gehört - streng genommen - zur Trama. Der Begriff "Trama" wird nur sehr häufig unklar oder unsauber verwendet. Das ist bei vielen exakt definierbaren Begriffen der Fall (z.B. heißt hyalin nicht farblos, sondern durchsichtig - es gibt also auch hyline Strukturen, die gelb sind). Odewie es keine Septen mit Schnallen gibt, wenn man es ganz genau nimmt, denn eine Schnalle ist per def. der gesamte Apparat mit zwei Septen (und zwei Doliporen) - ein Septum an der Verbindung Schnallenbogen-Zelle, das andere Septum wie immer


    Zitat

    Meine Basis der Merkmalsbenennungen: Die sogenannte "Agerer-Schule", da ich ja unter anderem Agerer-Schüler war.


    Wurde das publiziert? Ansonsten kann ich die Def. z.B. nicht in der Wikipedia verwenden (Belegpflicht). Ich pers. finde es wichtig, Def. korrekt zu gebrauchen. Doch vermutlich gibt es andere Mykologen, die widerum ihre eigenen Def. der Fachbegriffe etablieren wollen oder dies bereits getan haben.


    Gruß, Andreas

  • Hallo Christoph,


    Zuerst einmal herzlichen Dank für die ausführliche und sicherlich exakte Darstellung des Problems.
    Eigentlich ging es mir bei dem Beitrag nur darum, zu zeigen was Romagnesi, der ja den Begriff "Randhaare" geprägt hat, darunter verstand. Mir ist auch klar das eine Trennung Zystiden - Randhaare mehr oder minder künstlich ist.
    Ohne die Verwendung dieses Merkmals wäre die Bestimmung von Rötlingen aber sicher nochmals eine Klasse schwieriger.
    Meiner Erfahrung nach braucht man nur lange genug intensiv zu suchen um bei vielen, als "zystidenlos" geltenen Arten vereinzelte "Randhaare" aufzuspüren.


    Wenn wir schon beim Thema sind, möchte ich gleich noch ein paar andere Mikromerkmale zur Diskussion stellen.


    1. Monstersporen
    Solche Sporen finden sich immer wieder in Präparaten. Es handelt sich dabei um unförmige gestaltete Gebilde, die das für vier Sporen vorgesehene Material in einer Spore zusammenfassen. Würde man solche Mißbildungen mitmessen, so käme man zu irrsinnigen Ergebnissen.
    Wie verhält es sich aber wenn ihr für eine als viersporig beschriebene Art im Präparat auch vereinzelt zweisporige Basidien findet? Ist dann der obere Wert der gemessenen Sporengröße höher als bei rein viersporigen Fruchtkörpern?


    2. Keimende Sporen
    Das Keimen von Sporen kann man bei Rötlingen äußerst selten beobachten. In der Literatur wird darüber nichts geschrieben. Man erkennt das Keimen daran, das das dem Appendix gegenüberliegende Ende ausgezogen und deutlich dünnwandiger als der Rest ist. Messungen solcher Sporen führen zu größerer Länge der Spore und zu einem Q das bis zu 2,5 betragen kann, d.h. natürlich zu keinem brauchbaren Ergebnis.


    3. Skeletobasidien (Sklerobasidien)
    Dieser Begriff bezeichnet Basidien, bei denen die Wände stark verdickt sind (wie bei vielen Inocybe-Zystiden). In der Literatur findet sich dazu auch kaum etwas. Es wäre für mich aber interessant zu wissen wie so etwas entsteht. Hat da Jemand eine Idee?
    Bei Rötlingen treten solche Basidien äußerst selten auf und werden im Allgemeinen nicht als taxonomisch relevant betrachtet. Wie würdet ihr es aber bewerten wenn bei einer Art mehr als die Hälfte aller Basidien so verändert sind?


    Gruß Gerhard

  • Lieber Gerhard,


    danke zunächst mal für das Anschneiden dieser interessanten Themen. Die Beobachtung von Randhaaren und Fehldeutung als Zystiden war früher durchaus ein Problem für mich. Der Unterschied ist mir durch Deine Unterstützung bei einem Fund von E. pallescens klar geworden. Bei Präparaten von je 2 Lamellen aus 3 Fruchtkörpern fand ich an einer Lamelle die im Bild dargestellten Elemente (insgesamt 5 auf der gesamten Schneide). Ich nehme an, das Du auf diesen Umstand hinweisen möchtest.


    Wie verhält es sich aber wenn ihr für eine als viersporig beschriebene Art im Präparat auch vereinzelt zweisporige Basidien findet? Ist dann der obere Wert der gemessenen Sporengröße höher als bei rein viersporigen Fruchtkörpern?


    Ich hatte bisher nur einen sicheren Fall, wie Du ihn oben beschreibst. Mehr als 95 % der Sporen hatten eine Länge von 9,8 - 11,2 µm. Einzelne Sporen hatten eine Länge von 12,8 -13 µm. Keine Werte zwischen 11,2 und 12,8. Den Umstand habe ich mir notiert aber die Sporen bei der Messung ignoriert.


    2. Keimende Sporen
    Das Keimen von Sporen kann man bei Rötlingen äußerst selten beobachten. In der Literatur wird darüber nichts geschrieben. Man erkennt das Keimen daran, das das dem Appendix gegenüberliegende Ende ausgezogen und deutlich dünnwandiger als der Rest ist. Messungen solcher Sporen führen zu größerer Länge der Spore und zu einem Q das bis zu 2,5 betragen kann, d.h. natürlich zu keinem brauchbaren Ergebnis.


    Aus diesem Umstand hast Du zum Glück bei der Erstbeschreibung von E. venustum Wölfel & Hampe in Z. Mykol. 77.2 S181 hingewiesen. Im letzten Jahr fand ich bei einem überständigen Exemplar von E. chalybaeum solche Sporen (leider ohne Bild). Ohne Deinen Hinweis hätte ich die sicherlich gemessen.


    3. Skeletobasidien (Sklerobasidien)
    Dieser Begriff bezeichnet Basidien, bei denen die Wände stark verdickt sind (wie bei vielen Inocybe-Zystiden). In der Literatur findet sich dazu auch kaum etwas. Es wäre für mich aber interessant zu wissen wie so etwas entsteht. Hat da Jemand eine Idee?
    Bei Rötlingen treten solche Basidien äußerst selten auf und werden im Allgemeinen nicht als taxonomisch relevant betrachtet. Wie würdet ihr es aber bewerten wenn bei einer Art mehr als die Hälfte aller Basidien so verändert sind?


    Sklerobasidien habe ich bei Rötlingen noch nicht beobachtet. Die Bewertung des gehäuften Auftretens hängt sicherlich davon ab, ob die Abweichung bei allen Fruchtkörpern einer Kollektion auftritt. Momentan fält mir dazu nur ein, den Standort im Auge zu behalten und auf weitere Funde zu hoffen.




    Herzlichen Gruß


    Karl

  • Hallo an alle,


    ich bin auch sehr dafür, eine präzise Begriffsbestimmung zugrunde zu legen.


    Ich würde als Referenz Clemencon: "Anatomie der Hymenomyceten" vorschlagen, da das ein relativ aktuelles, sehr umfassendes und in der Begriffsbestimmung präzises Werk darstellt, das dazu auf deutsch erschienen, relativ weit verbreitet und in Publikationen zitabel ist. Die unterschiedlichen Verwendungen eines Begriffes in verschiedenen Schulen werden ausführlich erläutert.


    Dort wird (Hymenial-)Cystiden und Pseudocystiden unterschieden, die der Trama entspringen. Wir könnten also die Romagnesi'schen "Randhaare" ggf. durch "Pseudocystiden" ersetzen, sofern sie differenzierte Endzellen darstellen. Noch etwas anderes sind aber einfach wild herauswachsende Tramahyphen, die Cystiden vortäuschen aber natürlich keine taxonomische Relevanz haben (so würde ich Karls Bild verstehen).


    Ich glaube aber schon, dass der grundsätzliche Aufbau der Lamellenschneide bei Entoloma ein relativ konstantes Merkmal ist, dass vielleicht zur Trennung auf Sektions-Ebene geeignet wäre - Musterbeispiel ist serrulatum, und m.E. hat caeruleum denselben Schneidentyp nur (fast) ohne Pigmente (siehe Wölfel: Z.Mycol 51(1),100).


    Grüße, Wolfgang


    P.S.: Zu Gerhards neuen 3 Fragen kann ich leider nichts beitragen, mir sind bisher noch nie Sceletobasidien oder keimende Sporen aufgefallen.

  • Hallo Entoloafreunde


    Ich bin ich erstmals fündig geworden. Eigentlich wollte ich (bei einem Fund von Hans Bender) nur überprüfen ob tatsächlich Zystiden fehlen und ob 2 sp. Basidien zu finden sind. Zu meiner Überaschung fand ich an einer Lamelle meherere Basidein mit 2 µm dicken Wänden. An vier weiteren Lamellen aus zwei Frk. fanden sich nur normale Basidien. Taxonomisch dürfte das in diesem Fall sicherlich bedeutungslos sein. Bei dem Pilz handelte es sich um E. huijsmannii.


    LG Karl


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