Ohne Messer (Frage zu Pleurotus + Sulfovanillin ergänzt)

  • Hallo allerseits,

    ohne Messer und ohne Ersatzakku war ich im Wald unterwegs ... ohne dass das die große Katastrophe gewesen wäre, trotzdem gab es ein paar Sichtungen und Erkenntnisse.

    Hier im äußersten Südwesten hat es Mittwoch, Donnerstag und Freitag insgesamt knapp 70 mm geregnet und das Ganze war auch gut verteilt in mäßig kräftigen Schauern.

    Am Samstag ging ich in den Wald ohne große Erwartungen. Es ist trotzdem spannend zu sehen, welche Arten sich zuerst zeigen ... und ob überhaupt schon was da ist?


    An vier Stellen fielen mir sehr große, weichgeregnete Schuppige Porlinge, Polyporus squamosus auf (Fotos gespart). Diese müssen noch während der Trockenheit von mir unbemerkt gewachsen sein. An einem Stamm hatte ich im späten Frühjahr schon diese Art gesehen. Neue Erkenntnis für mich: manchmal fruchten sie mehrfach im Jahr, sowie im Moment in der Gegend auffallend synchron.


    Dann lag auf dem Boden ein dünnes Ästchen mit winzigen kleinen Pilzen ... das kann ja alles sein ... aber es sieht nach Marasmius im weiteren Sinn aus ...

    Ein Pilz zeigte dann doch schon die typischen weit auseinanderstehenden Lamellen und den nach unten hin schwärzlichen Stiel von Marasmiellus candidus (Weißer Zwergschwindling), den ich in warmen, feuchten Sommern hier schon öfter gefunden habe.





    An einer anderen Stelle wuchsen "wie gesät" diese noch feucht schimmernden Pilze, Waldfreundrüblinge. Das Basismycel war weißlich und die Stielbasis nicht verdickt, deshalb denke ich hier an Gymnopus dryophilus, den Gemeinen Waldfreundrübling (und eher nicht an den früh erscheinenden Gymnopus aquosus, der hier sehr häufig ist). Ich bin aber nicht ganz sicher, weil ich nur einen "umgelegt" habe. Dass diese Art so "zweifarbig" daherkommen kann, ist mir auch noch nicht so bewusst gewesen.




    Winzige Stummelfüßchen (Oberfläche leicht filzig, Schneiden glatt, Sporenpulver braun) wollte ich auf "schön" fotografieren. Das gelang aber kaum, es "rauschte" zu viel, hier heftig nachbearbeitet: Crepidotus spec.




    2 von 3 noch nicht weit aufgeschirmten Dachpilzchen.

    Da habe ich wegen Farbe, opt. Erscheinung der Huthaut und Stielbasis Pluteus cf. plautus (Verschiedenfarbiger Dachpilz) drangeschrieben. Lamellen sind bei der unfotografierten Nr. 3 überprüft.




    Ebenso wie gesät - aber nur an einer Stelle - Goldfarbene Mistpilze, Bolbitius titubans, von ganz klein bis ganz alt.

    Die habe ich bisher auch nur im trockenen Zustand gefunden. Jetzt erst weiß ich aus eigener Anschauung, wie schleimig die sein können.



    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 




  • Hier und da und einzeln stehend eine Tintlingsart.

    Die FK waren fast überall im gleichen Entwicklungsstadium, kein einziger war reifer und aufgeschirmt. Nur per Zufall fand ich den ganz kleinen Fruchtkörper. Auffällig war, dass die Fruchtkörper nicht auf Holz aufsitzen, auch nicht auf dünnsten Hölzchen, sondern sie wuchsen relativ lose in der Streu auf Blättern.

    Wegen des leicht flockigen Velums (überwiegend abgewaschen), das zum Teil weiß ist, aber oft ein bräunliches Pünktchen obenauf hat, und wg. der Auffindsituation möchte ich den Pilz Coprinellus cf. xanthothrix nennen (Gelbschuppiger Tintling).







    Dann gibt es doch noch eine Ergänzung zu den "seltsamen Trameten" ... die keine sind.


    Heute war ich nochmal an andere Stelle im Wald. Es sah schon wieder relativ trocken aus. Kein einziger Pilz lugte aus der Erde, nur ein Holz mit älteren, halb zerfallenen Becher-Korallen (Artomyces pyxidatus) sah ich - sowie schon wieder ein paar sehr junge Lungenseitlinge Austernseitlinge (Fotos gespart ^^ ) ... und dazu braucht man auch kein Messer.


    VG

    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 




    Einmal editiert, zuletzt von abeja ()

  • Hallo,

    oben habe ich das Wort "Lungenseitlinge" in "Austernseitlinge" geändert. Dabei ist eine Frage entstanden:

    die Reaktion mit Sulfovanillin ist bei Ludwig beschrieben, wie ich las.

    Aber was steht da genau (ich habe die Bücher nicht), muss man den Test an bestimmten Stellen machen? (Wieso eigentlich?)


    Ich las nun im I-net kreuz und quer.

    Pleurotus pulmonarius soll negativ sein, Pleurotus ostreatus positiv? https://www.zobodat.at/pdf/Boletus_36_0117-0123.pdf oder auch hier

    http://www.pilzepilze.de/cgi-b…04.pl?noframes;read=64179 "Dieser Test hilft nach LUDWIG 2001:570 zur Abgrenzung von P. pulmonarius, der ja ähnlich aussehen kann und mikroskopisch schwierig abzugrenzen ist. Dessen Huttrama färbt nicht weinrot.)

    Dann steht es bei 123 falsch herum, zu Pleurotus pulmonarius "Reaktion auf Sulfovanillin positiv (Farbe: Magenta-rot). Die Zuchtform des Austernseitlings (PLEUROTUS OSTREATUS) verfärbt sich nicht." (vermutlich verwechselt)


    An einem anderen Ort wird berichtet, dass es bei allen 3 Pleurotus-Arten in der Huttrama positive Reaktionen geben kann, auch bei P. pulmonarius soll das möglich sein, allerdings fiel die bei dem gezeigten Bild mit P. pulmonarius schwächer aus als bei den anderen Arten.


    Ich wollte das immer schon mal probieren (gelesen habe ich erst später). Der Fund vom Dienstag bestand aus mehreren Büscheln noch sehr kleiner FK, eigentlich zu jung zum Ernten ... 100 gr. insgesamt. Es waren noch keine Hüte weiter aufgeschirmt, an der Wuchsform konnte man nichts festmachen. Die Oberflächen waren sehr hell, aber minimal "stumpfer" weißlich als die vielen Lungenseitlinge letztens, die zudem von anderem Totholz waren.


    Auffällig war jedoch der Geruch, es fehlte die lecker-duftig-anisige Komponente. Die winzigen Pilze hatten schon einen etwas zäheren, nahezu knorpeligen Stiel. Auch in der Pfanne entwickelten sie kein süßliches Aroma, es war sogar etwas "waschküchenhaft".

    Geschmeckt haben sie trotzdem.

    Aus den Putzabfällen sortierte ich deshalb noch 2 kleine Strünke (mit Ansätzen von Minihütchen) heraus und vergaß sie im Döschen (im Kühlschrank) bis heute. Der Rest hatte ordentlich "ausgehypht" ... oder wie man das nennt, deutliches flauschiges Mycel war zu sehen (vermutlich auch ein Hinweis auf P. ostreatus).


    Die Probe mit Sulfovanillin machte ich an der Außenfläche von Stiel und Minihütchen, möglicherweise waren die FK aber auch etwas verletzt, dass die Trama zum Teil frei lag. Überall, wo der Pilz mit Sulfovanillin benetzt wurde, entwickelte sich eine rötliche Farbe - also das passt dann lt. Ludwig zu Pleurotus ostreatus, richtig?


    VG

    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 




  • abeja

    Hat den Titel des Themas von „Ohne Messer“ zu „Ohne Messer (Frage zu Pleurotus + Sulfovanillin ergänzt)“ geändert.
  • Hallo,


    meiner Erfahrung nach wird die Reaktion bei beiden Arten intensiv violettrot mit SV wenn man eine gesättigte Lösung verwendet (intensiv gelb durch viel Vanillin) und bei beiden nur schwach und bald schwindend wenn man eine schwächere Lösung verwendet. Das kannst Du selbst testen, indem Du ein Stück Austernseitling anschneidest, die Schnittfläche in gesättigtes SV dippst und danach am selben Pilz ein anderes Stück in denselben Tropfen SV dippst - der zweite "Zug" wird schwächer sein als der erste.


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo abeja,

    die Reaktion ist bei jungen festen Frk. oder Exsikkaten von P. ostreatus mit gesättigter SV-Lsg. stark positiv und verschwindet bei frischen Frk. nach längerer Zeit wieder. Am Exsikkat bleibt sie erhalten. Bei älteren durchwässerten Frk. kann die Reaktion auch mit gesättigter SV-Lsg. fast völig ausbleiben, oder verschwindet nach wenigen Sekunden wieder.

    LG Karl

  • Hallo Andreas und Karl,

    danke für eure Erfahrungswerte!

    Um noch weiter zu probieren, habe ich jetzt nur leider keine Pilze mehr ;) ...


    Wenn aber tatsächlich beide Arten, in optimalem Zustand, mit gut gesättigtem Sulfovanillin positiv reagieren, dann bringt das ja auch nicht so viel für die Bestimmungssicherheit. Ich werde aber auf jeden Fall noch versuchen, das für die eigene Anschauung nachzuvollziehen.


    VG

    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 




  • Guten Abend in die Runde,

    gut eine Woche nach 70l Regen wuchs im Wald das Kraut, aber die Pilze lassen sich Zeit.

    Bis auf sehr viele Behangene Faserlinge s.l., einige Tränende Saumpilze, Unmengen an großen Stummelfüßchen (fast an jedem morscheren Totholz), ein paar kleinen Sklerotien-Stielporlingen und zwei weitere Kleinigkeiten (eigener Beitrag kommt), gab es "Seitlinge" ... schon wieder.

    Dieses Mal fand ich Lungenseitlinge (klein, fast rein weiß, dünnfleischig, duftend) am stehenden Totholz und ein paar Meter daneben hell-mittelgraue zum Teil schon sehr große "Sommeraustern" mit überdimensional dickem Stiel an einem liegenden Stamm.


    Neben einer Mahlzeit kam ein Färbeversuch mit Sulfovanillin zustande, das Vanillin hatte ich sehr stark dosiert. Vom angerührten Mittelchen übertrug ich dann mit einem separaten Spatel etwas auf das angeschnittene Hutfleisch.

    Alle Proben (jeweils 2 FK von beiden Funden, also sowohl Pleurotus pulmonarius als auch Pleurotus ostreatus) zeigten eine identische Reaktion, leuchtend pink-rot, aber sehr vergänglich.

    Ob es beim Exsikkat anders wäre, kann ich zurzeit nicht feststellen, die Luftfeuchtigkeit ist zu hoch, um Pilze richtig zu trocknen.


    VG

    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 




  • Hallo Andreas,

    nun ja ... die Funde zeigten für mich den größtmöglichen makroskopischen Unterschied der im Sommer vorkommenden Seitlinge hier im Wald.

    Ich war da so von unterschiedlichen Arten überzeugt, dass ich mir schon wieder die Fotos "gespart" hatte. :saint:


    Die großen Pilze sahen unzweifelhaft nach P. ostreatus aus (Dicke, trotz Größe Wölbung nach unten, Oberflächenfarbe usw.). Falls die kleinen, zarten Weißen auch "Austern" sein wollen, dann hätten sie sich mit zunehmendem Alter noch heftig umdesignen müssen. Allerdings sehe ich diese "kleinen Weißen" in diesem Jahr extrem häufig und sie verändern sich mit zunehmender Größe (falls sie nicht eintrocknen und dabei stark gilben) in Richtung "ondulierte Flatschen".

    Aber es stimmt natürlich, ohne molekulare U. gibt es keinen Beweis.

    Die Austernpilze im Laden/ in den Läden sehen hier immer ziemlich gleich aus, aber vielleicht kommen sie immer vom gleichen Züchter: hellbeige auf der Oberfläche und leicht nach innen gewölbt.


    Was mir aber bei der ganzen Sache überhaupt nicht klar ist:

    welche Art von Reaktion findet überhaupt mit dem Sulfovanillin statt? Was weist man damit überhaupt nach?

    Ich habe versucht, das herauszufinden, aber ohne eindeutigen Erfolg.

    Allein im Wiki-Artikel zu Sulfovanillin wird dies geschrieben (allerdings mit Bezug auf die Untersuchungen bei Russula - und man beachte das "vermutet"):

    Zitat
    Man vermutet, dass das Reagenz mit den in den Zellen vorhandenen Sesquiterpenen reagiert, besonders wenn diese Aldehydfunktionen aufweisen.[4]


    Zu den Terpenen und den Terpen-Derivaten (Terpenoide) heißt es wiederum (hier meist auf Pflanzen bezogen, ist aber egal):

    Zitat

    Im Unterschied zu den Terpenen sind sie (die Terpenoide) durch zusätzliche funktionelle Gruppen gekennzeichnet, können aber auch in ihrem Kohlenstoffgerüst Unterschiede aufweisen. Terpenoide kommen in der Natur vorwiegend als Vertreter der Alkohole, Ether, Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Carbonsäureester und Glycoside vor. Ätherische Öle, die aus Pflanzen gewonnen werden, bestehen zum Großteil aus Terpenen bzw. Terpenoiden.

    ... Zahlreiche Terpene bzw. Terpenoide werden als Geruchs- oder Geschmacksstoffe in Parfümen und kosmetischen Produkten eingesetzt,[6] daneben aber auch zur Vergällung.[7]
    Zitat

    Dabei liefern die jugendlichen Pflanzen typischerweise die Terpen-Kohlenwasserstoffe und die älteren Pflanzen zunehmend die sauerstoffhaltigen Derivate, wie Alkohole, Aldehyde und Ketone.

    Sucht man "Terpen" "Sesquiterpene" "Terpenoide" o.ä. in Verbindung mit "Pleurotus", dann kommen jede Menge wissenschaftlicher Artikel. Oft wird eine bestimmte Pleurotus-Art oder mehrere auf ihre chem. Komponenten untersucht. Manchmal ging es auch um die Unterschiede mit verschiedenen Extraktionsverfahren.

    Terpene/ Terpenoide sind aber bei den gefundenen Stoffen immer dabei.


    Daher fände ich es nicht ungewöhnlich, wenn jeder Pleurotus-FK mehr oder weniger mit Sulfovanillin reagiert, wenn diese Stoffe bzw. ihre Derivate prinzipiell vorhanden sind, auch wenn es spez. Unterschiede gibt. Wenn Sulfovanillin besonders mit den Aldehyden reagiert, könnte die Reaktion bei etwas älteren Fruchtkörpern stärker sein, wo die chem. Substanzen schon einen oxidativen Prozess hinter sich hatten.


    Dann hätten die Versuche mit Sulfovanillin wenig Aussagekraft, besagen höchstens ... das ist ein "reifer" Fruchtkörper, der schon duftende Chemikalien in nachweisbarer Menge fabriziert hat.


    Meine Pröbchen waren doch noch getrocknet. Am Exsikkat hatte ich dann eine deutlich stärkere Reaktion, rötlich, dann aber auf violett-schwarz umschlagend und so bleibend. Gestern habe ich noch mal zwei "kleine Weiße" gefunden (der Rest war schäbig, eingetrocknet). Diese reagierten frisch sichtbar, aber auch wieder relativ schwach ... Vielleicht sind sie einfach nur "zu jung", es haben noch kaum Umwandlungen der Terpene unter Sauerstoffeinfluss stattgefunden.


    Morgen werde ich diese FK, sofern getrocknet, auch noch mal trocken testen (... und dann brauche ich bald neues Vanillin ^^. )


    VG

    abeja

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