Entoloma ortonii?

  • Hallo zusammen,


    ich bin normalerweise immer im Pilzforum.eu unterwegs, aber Karl Wehr hat mich gebeten einen Entoloma-Fund vom 1.11.2022 aus dem Brachter Wald hier einzustellen. Gefunden auf magerem, sandigen Boden. Auffällig sind der pruinose Hut und überfaserte Stiel, dazu Grautöne im Hut. Sporen messen 8.9+-0.4 µm x 7.7+-0.4 µm, Q=1.2+-0.1, bzw. 7.9-9.6 µm x 7.1-8.3 µm, Q=1.1-1.3. Basidien sind 4-sporig mit Basalschnalle. Das Pigment der Huthaut ist inkrustierend. Den neuen Fungi Europaei Band habe ich noch nicht (der sollte aber in den nächsten Tagen hier eintreffen). Kann es sich hier um Entoloma ortonii handeln?











    Björn

  • Hallo Björn,


    hier muss man sich zwischen zwei Arten entscheiden: Entoloma ortonii oder E. vindobonense.

    Beide Arten kommen eher im Spätherbst in Magerwiesen (u.a.) vor. Für E. ortonii ist so eine pruinose Hutoberfläche in jungen Fruchtkörpern typisch, leider kann E. vindobonense das auch ab und zu haben. Entoloma ortonii hat meist noch etwas wärmere Brauntöne mit dabei und liegt damit farblich zwischen E. sericeum und E. vindobonense. Oft hat E. ortonii eine kleine Papille und/oder Vertiefung in der Hutmitte, das ist hier eher nicht der Fall. Die Stiele sind bei beiden Arten zu Beginn oft fast poliert, bei E. ortonii in der Regel schnell deutlich faserig, bei E. vindobonense länger glatt bleibend. Nur sind die Stiele anfällig untypisch zu sein, vor allem wenn wie jetzt fast den ganzen Tag der Tau auf den Gräsern liegt.

    Mikroskopisch ist in der sect. Nolanea wenig zu holen, die Sporen von E. vindobonense sind allerdings im Schnitt einen Tick größer als die von E. ortonii. In frischen Kollektionen von E. vindobonense sind mir und auch Karl kleine Vakuolen mit braunem Inhalt aufgefallen. Diese sind auch bei deinen Mikrobildern zu sehen. Leider ist es momentan völlig unklar ob das ein brauchbares Merkmal ist, da ich diese Vakuolen bei älterem, getrockneten Material nicht nachweisen konnte und somit auch nicht überprüfen konnte ob die bei E. sericeum und E. ortonii vlt. auch auftreten können.

    Insgesamt, vor allem wegen dem eher eintönigen, düsteren Hut, bin mir relativ sicher, dass das E. vindobonense ist.


    Beste Grüße - Kai

  • Hallo zusammen,


    dann sind die Rötlinge auf dem folgenden Foto wohl auch Entoloma vindobonense zuzurechnen.


    Entoloma cf. vindobonense


    Bisher war ich wegen einer meistens zu findenden schwach pruinosen Hutoberfläche und faseriger Stiele der Ansicht, dass es sich bei diesen Pilzen nur um Entoloma sericeum var. cinereoopacum (= E. terreum bzw. jetzt E. ortonii) handeln kann.


    Mit dem Erscheinen der FE 5b, wo E. vindobonense in Bezug auf Hutoberfläche und Stiel doch einiges an Variation eingeräumt wird, kamen erste Zweifel. Zu denken gab mir auch die Betrachtung der zahlreichen E. vindobonense-Funde im dänischen Svampeatlas ( https://svampe.databasen.org/en/taxon/67401 ) und die Ausführungen von Kai hier im Forum haben mich nun endgültig umschwenken lassen.


    Wahrscheinlich ist der weit überwiegende Teil der Rötlinge, die ich bisher für E. sericeum var. cinereoopacum (= E. ortonii) gehalten habe, tatsächlich E. vindobonense. Die Art wäre dann in den Sandregionen Ostwestfalens (Senne und verschiedene andere Gebiete) weit verbreitet und häufig.


    Zahlreich findet man sie vor allem auf (sehr) nährstoffarmen Pionierstandorten (wie oben), aber auch in stark ausgehagerten, extensiv genutzten und nicht gedüngten Wiesen und Weiden. Es ist eine ausgesprochene Spätherbstart und frische Fruchtkörper findet man bei milder Witterung auch noch im Januar.


    Für E. vindobonense spricht auch die mittlere Größe der Sporen, sie passt bei obiger Kollektion mit 8,7 x 7, 6 µm ( Q = 1,15) sehr gut zu den Angaben in der FE 5b. Weitere Kollektionen von anderen Fundorten zeigten eine sehr ähnliche Sporengröße. Kleinere Werte gab es nicht und nach oben lag die Grenze für den Durchschnittswert bei 8,9 x 8,0 µm. Für E. ortonii wären diese Sporen damit ein wenig zu groß (verglichen mit den Angaben in der FE 5 b).


    Die von Kai erwähnten Vakuolen konnte ich ebenfalls beobachten, sie waren bei meinem Fund 2 bis maximal 3 µm groß und traten meist in kleinen Reihen von 4 bis 6 Stück auf. Zu erkennen war öfters auch, dass sich diese Reihen in den noch wachsenden und sich teilenden Endzellen der Hyphenstränge befanden. Insgesamt waren diese Vakuolen in der Hutdeckschicht aber nur recht spärlich vertreten und über weite Strecken fand sich in den entsprechenden Präparaten kaum etwas davon.


    LG Ingo

  • Hallo zusammen,


    vielen Dank Kai für die ausführlichen Informationen zu den Arten um Entoloma sericeum. Dann werde ich in Zukunft auch mal gezielter nach diesen Vakuolen in der Huthaut Ausschau halten.


    Björn

  • Hallo Ingo,


    ja, ich denke das ist auch E. vindobonense. Deine Beobachtungen zu Habitaten und Phenologie passen sehr gut ins Konzept von E. vindobonense.

    Entoloma ortonii ist offensichtlich wesentlich seltener, kommt aber auch eher im Spätherbst und kann auf mageren Grasländern mit E. vindobonense zusammen vorkommen.

    Entoloma sericeum kommt normalerweise deutlich früher, bei guten Bedingungen schon mal ab Juni und ist im Spätherbst dann kaum mehr da. Dieses Jahr war die Phenologie verschoben und daher möglicherweise zeitgleich mit den anderen beiden Arten.


    Wegen der Variabilität dieser drei Arten ist die Bestimmung manchmal nicht einfach und es gibt ab und zu Kollektionen, die man morphologisch nicht sicher zuordnen kann.


    Beste Grüße - Kai

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