Weiß-beiges "Gebilde" = Hyphoderma nemorale

  • Hallo miteinander und willkommen im neuen Jahr!


    Zwischen dem 7.10. und 27.12.22 beobachtete ich ein weißlich-beiges "Gebilde", das oben auf einem großen hohl liegenden Buchenstamm ein Moos umwächst – keine Wachskruste – Ulmer Hochsträß, ca. 600 mNN, basisch. Die Einzelfruktifikationen sind nur wenige Millimeter hoch, miteinander verbunden und schädigen offenbar das Moos. Vor allem beim ersten Ortstermin war rund um die Gebilde eine Art Thallus zu sehen, der mit der Zeit aber immer weniger wurde. Hier erst mal die Vorort-Makros:


    Am 7.10.22, trocken, im Hintergrund junge Chondrostereum purpureum:



    Am 29.11.22, diesmal bei Nieselregen:



    Am 27.12.22, die Fruktifikation hat den strengen Frost (-10°C) und Schnee vor Weihnachten ganz gut weggesteckt. Der größere Fruchtkörper geht langsam seinem Ende entgegen, der kleinere im besten Zustand, vom Thallus kaum noch was zu sehen. Sie wachsen definitiv auf Moos, dem Moos bekommt das anscheinend nicht gut! Die Moosblättchen werden umhüllt, es entstehen aber auch daumenförmige Auswüchse darüber hinaus:




    Diesmal habe ich endlich Material fürs Mikro mitgenommen – diesen Teil stelle ich in die "Antwort", damit die Mikro-Bilder beim entspr. Text stehen.


    Bis gleich – Rika

  • Hier die Fortsetzung mit den Mikro-Merkmalen dieser Teile:


    Die Wuchsrichtig der einzelnen "Daumen" ist konzentrisch: innen recht fest durch engst verwobene und (oft an einem Punkt mehrfach) verzweigte Hyphen mit dicken Schnallen – beim Schneiden fühlt es sich knorpelig an. Das äußere Drittel der Fruktifikation ist weich (gut quetschbar) und besteht aus pallisadenartigen, radial "parallel" angeordnenten Hyphen. Die Enden der Hyphidien haben alle möglichen Formen, von kugelig bis entenkopfförmig oder geschnabelt – aber nie verzweigt; manche mit aufliegenden Krusten. Die 4-sporigen Basidien mit meist langen spitzen Sterigmen findet man nur im apikalen Bereich. Zystiden konnte ich nicht finden.


    Inneres "Gewebe", Zoom aus 320x:


    Schnallen, 800x (Sichtfeld-Ø 160 µm) und Zoom 320x:


    Basidien, Zoom aus 320x:


    Hyphidien, Zoom aus 320x u. 800x:


    Sporen: weder amyloid noch dextrinoid, glatt, Grundform zylindrisch bis allantoid, unreif leicht apfelkernförmig


    Bei meinem ersten Präparat waren die Sporen ziemlich gleichmäßig in Form und Größe: meist zylindrisch, manche gegenüber dem Apiculus leicht verdickt: 10...11,7...12,8 x 4,3...4,5...4,8 µm; Q = 2,2...2,6...3,0


    Die Sporen von meinem zweiten Präparat sind in der Form eher variabel: von tropfen- über apfelkernförmig bis hin zu allantiod und auch rein zylindrisch: 9,6...11,6...14,0 x 3,4...4,6...5,2 µm; Q = 2,1...2,6...3,2


    Ein paar Tage später ein drittes Präparat mit dem am reifesten aussehenden "Daumen":

    Jetzt sind alle Sporen deutlich zylindisch bis allantoid, mit der Tendenz gegenüber des Apikulus´ etwas verdickt zu sein. Anscheinend haben sie sich weiter gestreckt = länger und dünner geworden, siehe Maße (Q!):

    9,9...12,2...14,8 x 3,0...3,4...4,9 µm und Q = 3...3,4...4


    Sporen vom 2. (800x) u. 3. Präp. (320x):


    Beim letzten Präparat fielen sehr viele quadratische Kristalle aus – vermutlich sind die Inkrustierungen an manchen Hyphidien ebenfalls diese Kristalle. Die meisten sind winzig (1-2 µm), aber auch um die 5 µm groß.


    Kristalle, Zoom aus 800x:


    Weiß jemand, was ich hier seit 2 Monaten schon beobachte? Jeder sachdienliche Hinweis ist willkommen!


    Viele Grüße – Rika

    Einmal editiert, zuletzt von UmUlmHerum () aus folgendem Grund: Ergänzung "u. 800x" bei den Hyphidien-Mikros

  • Hallo Rika,


    mit den suburniformen Basidien und den großen Sporen erinnert mich dein Fund an eine Hyphoderma. Aber makroskopisch sieht die schon komisch aus.


    Vergleiche deinen Fund mal mit Hyphoderma transiens:


    Hyphoderma transiens


    Die ist es höchstwahrscheinlich nicht, aber mir fällt im Moment nichts Ähnlicheres ein.


    Hast du zufällig Fotos von jungen Basidien, bei denen die Sporen an den Sterigmen noch ganz klein sind? Da kann man bessere Rückschlüsse auf die Basidienform treffen.


    Viele Grüße

    Christian

  • Hallo Rika,


    die Idee von Christian finde ich ganz gut. Die unregelmäßige Oberfläche ist sicher der Wuchsstelle auf Moos geschuldet. Mir fehlen allerdings die typischen Sporen, die bei Hyphoderma mit vielen kleinen Öltröpchen gefüllt sein müssen.

    Urniforme Basidien wären dann auch noch bei Sistotrema typisch, da passt aber die Sporengröße nicht. Eine weitere Art mit urniformen Basidien ist Dentocorticium utribasidiatum, die kenne ich allerdings noch nicht.

    Wenn du genug Material hast, kannst du mir ja mal ein Stück zusenden.


    LG

    Frank

  • Hallo zusammen,


    ich hatte die selben Gedankengänge wie Frank und bin bei Dentocorticium utribasidiatum hängen geblieben.

    Allerdings scheidet meiner Ansicht nach aus, denn die Art hat subulate Zystiden, zumindest nach Nakasone (2005, als Leptocorticium u.).

    Aber eine bessere Idee habe ich auch nicht. Ob bei Corticiaceen im Winter auch mal die Tröpfchen fehlen können? Bei manchen Flechten haben wir das schon beobachtet, z.B. bei Mycobilimbia sabuletorum. ALlerdings war es immer nur ein gewisser Prozentsatz ohne Tropfen, nie komplett alle ....


    beste Grüße,

    Andreas

  • Hallo Christian, Frank und Andreas,


    habt vielen Dank für Euren Input!

    Auf die von Andreas zitierte Nakasone-Veröffentlichung bin ich bei meinen Web-Recherchen nach Dentocorticium auch gestoßen:

    Taxonomy and phylogeny of Lopharia s.s., Dendrodontia, Dentocorticium and Fuscocerrena (Basidiomycota, Polyporales)
    Eleven taxa of Lopharia s.s., Dendrodontia, Dentocorticium and Fuscocerrena in Polyporales are included in the phylogenetic analyses of nuc rDNA ITS1-5.8S-ITS2…
    www.ncbi.nlm.nih.gov


    Inzwischen habe ich all meine Mikro-Fotos durchgesehen und bin auf eine einzige Spore mit 2 größeren Öltröpfchen gestoßen. Spitze Zystiden gibt es nicht. Und die "Daumen" sind monomitrisch. Es gibt auch eine Art "Haare", die weit über die Oberfläche (i.d.R. im sterilen Bereichen am "Schaft" des "Daumens") herausstehen – ich glaube nicht, dass ich die rausgequetscht habe. Mikroskopiert habe ich übrigens in Wasser. Hier noch ein paar Bilder dazu:



    Meinen getrockneten Rest schicke ich gerne an Dich, Frank. Da ist dieser Fund besser aufgehoben als bei mir Rindenpilz-Anfängerin ;) !

    Am besten gehe ich morgen noch mal hin, bevor die nächste Frostperiode kommt, und hole was vom Subuculum, z.B. von den eingekreisten Bereichen. Immerhin hatten wir seit meinem letzten Besuch (27.12.22) milde Temperaturen, nachts höchstens mal -1°C. Und mal schauen, ob sich da noch andere Hyphentypen (und Hymenium?) finden lassen... Die Fundstelle befindet sich übrigens keine 50m entfernt von meiner Dentipellis-fragilis-Stelle – sie fruktifiziert dort nun das 4. Jahr in Folge und zwar großflächig (Länge 0,5 bis 0,75 m).



    Herzliche Grüße – Rika

  • Hallo miteinander!


    Am Sonntag war ich wieder vor Ort – womöglich kann jetzt ein wenig Licht in die Angelegenheit gebracht werden. Ich habe insgesamt 4 Proben mitgenommen, davon eine von einem wesentlich großflächigeren Fruchtkörper auf der anderen seitlichen Stammseite, keinen 1/2 m von den anderen entfernt. Unterm Mikro sehen sie sich sehr ähnlich – Sporen (10...15 x 4...5 µm), Basidien, Endhyphen/Zystiden – alles mit dicken Schnallen und monomitisch. Die Basidien sind recht uneinheitlich auf der Oberfläche verteilt, an manchen Stellen dicht eine neben der anderen, nicht weit daneben keine einzige, dafür Haare (auch septiert mit Schnalle und gelegentlicht verzweigt) und kopfige Zystiden. Meist kann man den Frk. vom Substrat abziehen – am besten, wenn er leicht feucht und noch nicht so stark bakterienverseucht ist.



    Aufgrund meiner geringen Rindenpilzerfahrung traue ich mich jetzt nicht zu sagen, ob das definitiv alles das gleiche wäre. Deshalb noch ein paar Mikros ergänzend: Am Beginn des Dateinames steht die Ziffer der jeweiligen Entnahmestelle; alles 320x – Sichtfeld-Ø entspricht ca. 400 µm.


    Stelle 1, reichlich Bakterien, Subuculum in Auflösung/Zerfall begriffen:


    Stelle 3:


    Stelle 4, andere Stammseite, großflächiger Frk.:


    Vielleicht können die Fachleute schon anhand neuen Makro-Bilder (großer Frk. auf der anderen Stammseite!) Genaueres sagen?!


    Frank, wenn ich Dir die Teile noch schicken darf(?), wirst Du an den Bakterien sicher keine Freude haben – möchtest Du trotzdem Material? Oder ist es gar hinfällig geworden?


    Herzliche Grüße – Rika

  • Hallo Rika,


    das sieht jetzt einer Hyphoderma schon sehr ähnlich. Hyphoderma mutatum wäre makroskopisch möglich, da müssten aber vereinzelte Lamprozystiden zu finden sein. Die Gattung ist aber immer wieder spannend, sodass du mir ruhig was zusenden könntest.


    LG

    Frank

  • Hallo Frank,


    merci für Deine Einschätzung! Die Lamprozystiden sollen bei H. mutatum selten sein, habe ich gelesen, und (bisher) keine gesehen. Vielleicht findest Du sie ja. Im Laufe der Woche werde ich die Post für Dich fertigmachen...


    LG – Rika

  • Hallo Andreas,


    makroskopisch würde das sehr gut auch zu Cylindrobasidium laeve passen. Aber Rika hat ja aus den großflächigen Fruchtkörper wieder schmal ellipische bis zylindrische Sporen mikroskopiert. (Stelle 4) Vielleicht sind's Fremdsporen! :)


    LG

    Frank

  • Hallo Andreas & Frank,


    Das einzige, was im Umkreis von 2 m wächst, ist Phlebia radiata und Chondrostereum purpureum (mit ganz anderer Sporenform als Hyphoderma mutatum und Cylindrobasidium laeve). Ansonsten war da zu anderen Zeiten Oudemansiella mucida und Pleurotus pulmonarius drauf.


    Hier noch zwei Bilder (320x; Sichtfeld-Ø ca. 400 µm) – das Erste stammt aus dem matschigen Subiculum der Stelle "1": etliche 1- bis 5-fach septierte Sporen, die nur wenig dicker sind als die ansonsten beobachteten – kann das eine Wachstumsform sein (statt keimenden Hyphen) oder irgendwelche Fremdsporen? Das Zweite ist von der Fruchtschicht der anderen, flächigen Fruktifikation der Stelle "4": etwas ältere/größere Sporen, die noch an den Basidien hängen – spricht eher für die Hyphoderma.


     


    Aber falls Frank Zeit hat, werden wir es nächste Woche wissen :-).


    LG – Rika

  • Liebe Rika,


    dein Päckchen ist trotz Poststreik gut angekommn. Die vier Proben habe ich mir angesehen:


    Probe 4: diese gut entwickelte Hyphoderma ist Hyphoderma nemorale! Gut kenntlich durch leicht moniliforme, zylindrische Zystiden, die teilweise etwas inkrustiert sind und kopfige Zystidiolen. Die Fruchtkörper sind relativ dick und ähneln makroskopisch H. mutatum.

    Probe 3: ebenfals H. nemorale

    Probe 1 & 2: stark infiziert und kaum zu identifizieren; die Hyphenstruktur passt aber auch zu Hyphoderma, sodass es möglicherweise auch diese H. nemorale gewesen sein könnte


    Liebe Grüße

    Frank

  • Lieber Frank,


    hab´ herzlichen Dank für Deine schnelle Untersuchung und Benennung!

    Dann war Christian gleich am Anfang schon sehr dicht dran – :thumbup:


    Hier https://www.aphyllo.net/spec.php?id=100 ist Hyphoderma nemorale mit Mikro-Zeichnung schön beschrieben, allerdings wohl mit einem Komma-Fehler bei der Dickenangabe (wie bei anderen von Martini beschriebenen Hyphoderma-Arten ebenfalls):

    Zitat

    Basidiome effused, adherent, subceraceous, up to 0.1 (0.2) mm thick.

    Das müsste doch 1 (2) mm dick heissen, würde ich meinen. Ansonsten eine ganz tolle Site mit umfangreichen Informationen.

    In der österreichischen Myko-Dankenbank ist die Art nicht enthalten!?


    Gute Nacht – Rika

  • UmUlmHerum

    Hat den Titel des Themas von „Weiß-beige "Gebilde" auf Moos“ zu „Weiß-beiges "Gebilde" = Hyphoderma nemorale“ geändert.
  • Liebe Rika,


    es kommt hier nicht so sehr auf die Dicke des Fruchtkörpers an (die ist oft von den Wachstumsbedingungen abhängig), sondern von der Dichte. Hyphoderma nemorale hat ziemlich feste Strukturen, ähnlich H. mutatum. Die ebenfalls mikroskopisch ähnliche Hyphoderma incrustatum hat sehr lockere, poröse Fruchtkörper und wächst auf stark zersetztem Laubholz. Sie ist sehr selten in Deutschland.


    LG

    Frank

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!