Umfrage: Der Geruch des Juchten-Ellerlings


  • Hallo zusammen,


    den Charakterisierungen von Gerüchen haftet immer etwas sehr subjektives und willkürliches an. Sehr schwierig wird es, wenn Geruchsangaben sich auf Substanzen beziehen, die es heute nicht mehr, oder nicht mehr so vefügbar gibt.


    Der Juchten-Ellerling (Hygrocybe russocoriacea) wird in der Literatur als nach "Juchten-Leder" oder "Russisches Leder" riechend beschrieben. In der englischsprachigen Literatur steht dazu meist "cedar-wood" (wohl eine besondere Art von Wacholder, NICHT Zedern-Holz ist hier gemeint!).


    Letztes Jahr, und auch dieses wieder, besuchte in einen Standort dieses Ellerlings hier bei uns, um den Geruch irgendwie besser oder neu zu charakterisieren. Mich erinnert der frische Geruch an
    Grape-Fruit-Schale, und zwar die alte, gelbe Sorte.


    Jetzt gibt es aber auch ein After-Shave oder eine Art Pomade für Herren, welches so riecht. Ich habe den Duft mal an einem älteren Herrenmit pomadisiertem Haar wahrgenommen, aber leider nicht nachgefragt. Meine Frage nun: Wer kennt so ein Aftershave oder Haarwasser, welches diesen Geruch besitzt. Es muss sich wohl um irgend eine alte Marke handeln, die es noch geben muss.


    Grüßle
    Jürgen

  • Hallo Juergen,
    auch ich kenne den Geruch des Juchtenellerlings nur von der Beschreibung her. Aber wenn Du schreibst
    "Russisches Leder" so gibt es ein Deo bzw. Eau de toilette mit diesem Namen. Evtl. wirst Du da fündig.
    Liebe Grüße
    Rainer

  • Hallo nochmal,
    habe grad unter "Russisch Leder" gegoogelt, und da werden unter den Duftnoten u.a. Bergamotte, Zedernholz, Leder und Zitrone angegeben. Vielleicht stimmt die Richtung, wenn auch Duftwässerchen
    zunächst recht intensiev riechen.
    LG
    Rainer

  • Hallo Rainer,


    ich habe "Russisch Leder" auftreiben können. Dieser alte Duft ist vom Parfüm-Hersteller "Farina" wieder erhältlich. Der Geruch ist schwer und süß, erinnert an Weihrauch und Vanille, und ist sehr nah an "Tabac" dran. Mit dem Geruch des Juchten-Ellerlings hat das aber nicht viel zu tun, allenfalls ist das EINE Komponente dieses Geruches, die ich als die "Herrenfriseur-Note" bezeichnen würde. Der Geruch des Ellerlings ist nicht richtig fassbar. Ob Juchtenleder, das alte, heute überhaupt noch so hergestellt wird, wie vor 1900, ist sehr fraglich. Modernes Juchten- oder Russisch-Leder dürfte nicht mehr so riechen, wie in der Zeit der Erstbeschreibung des Juchten-Ellerlings (1848). Ich habe z.B. einen Streichriemen aus Juchtenleder, und das riecht halt nach Leder, also überhaupt nicht nach Juchten-Ellerling.


    Grüßle
    Jürgen

  • Hallo "der Jürgen",


    ich bin jetzt doch noch mal neugierig geworden und hab mal Juchtenleder bei Wikipedia nachgeschaut. Das entsprechende Leder wurde wohl mit Birkenteeröl behandelt, was dann den charakteristischen Geruch mit sich brachte. Birkenteeröl riecht wohl rauchig-verbrannt.
    Vervollständigt die rauchig-verbrannte Note die Herrenfrisur-Note in die Richtung vom Juchten-Ellerling?


    Vielleicht können Sie die Information gebrauchen, (über den Pilz selbst kann ich überhaupt nicht mitreden)


    Grüßle, usnea barbata

  • Lieber Jürgen,


    hast du denn jetzt schon mal Kölnisch Wasser ausprobiert? Wahrscheinlich schon, das gibts oder gabs ja eigentlich überall und vermutlich ists das auch nicht. Zumindestens würd ich das nicht als Herrenduft bezeichnen.


    Übrigens ist Farina meines Wissens nach auch der Hersteller des "Original- Kölnisch-Wassers", hier bitteschön: http://www.manufactum.de/farin…aeuber-p1450730/?c=189790. Allerdings riecht das wohl schon etwas anders als die momentan bekanntere Version.


    Birgit

  • Hallo "usnea barbata" und liebe Birgit,


    besten Dank für eure Recherchen und das Interesse. Ein Problem, welches sich mir stellte war folgendes: Juchtenleder ist nicht gleich Juchtenleder ... und heutzutage schon gar nicht mehr. Da dieser Begriff nie geschützt wurde, hat man alle möglichen Leder-Herstellungen als Juchten bezeichnet (meistens Kalbs-Glattleder). Es gibt auch mehrere Herstellungsverfahren für das originale Russische Leder, welches übrigens ca. seit der Jahrhundertwende nicht mehr traditionell hergestellt wird. Man hat das Russische Leder mit allem möglichen eingerieben: Tranöl, Seehundfett, Birkenteeröl, Harz vom Sandelholz. Darüberhinaus hat man es auch "parfümiert". Die Rezepturen waren damals schon so geheim wie das Coca-Cola-Rezept. Man hat sogar Spione nach Russland geschickt um das Verfahren herauszubekommen.


    Grüßle
    Jürgen


    Achja, Birgit. Das "echte kölnisch Wasser" von Farina hatte ich mir zusammen mit dem Russisch Leder gekauft (riecht tausendmal besser und anders als 4711). Ne Flasche 4711 steht aber auch bei mir rum. So langsam geht das ins Geld ;) Nichts bisher riecht übrigens nach Juchten-Ellerling, und 4711 empfinde ich als irgendwie abstossend, weiß auch nicht warum, vielleicht erinnert mich das an irgend jemanden.

  • Lieber Jürgen, Hallo an Alle,


    langsam wird es ja so richtig amüsant hier ;) , ich mußte heute morgen schon sehr schmunzeln als ich Deinen Beitrag gelesen habe.
    Auf der verzweifelten Suche nach Themen für das bislang allzu leere Jahresprogramm der AMU für 2013, bringt mich Deine Antwort auf die gloriose Idee einen Riechabend zum Thema Juchtenellerling , gesponsort und moderiert durch die neu eröffnete Parfümerie des Herrn J aus E. :P , zu veranstalten.


    Spaß beiseite, mindestens an dem Original Kölnisch Wasser möchte ich gerne mal persönlich riechen.


    Weitere Recherchen bei Manufactum ergaben noch drei mögliche Kandidaten: Knize Ten, ein alter, ziemlich berühmter Duft und von der Beschreibung her ein heißer Kandidat, weil die Kopfnote u.a. aus Bergamotte und die Herznote aus Zedern- und Sandelholz besteht und die Basisnote ledrig ist. Das ist doch fast ein Treffer im Lotto ;) , praktisch alle von Jürgen angesprochenen Gerüche außer der Grapefruit wären da drin vereinigt. Dann noch Acqua di Genova und Truefitt & Hill After Shave, eher unwahrscheinlichere Kandidaten.


    Am Freitag, 21.12., fahre ich nach München und könnte dort bei Manufactum an den verschiedenen Düften schnuppern, aber leider kenne ich den Geruch vom Juchtenellerling nicht und die Exsikkate von Jürgen sind ungeeignet. Gibts hier einen netten Menschen, der mir ein noch duftendes Exsikkat - am besten in einem fest verschlossenen Behältnis - vom Juchten-Ellerling zur Verfügung stellen könnte? Meine Postanschrift teile ich dann gerne per Mail mit und das Porto übernehme ich bzw. Jürgen natürlich. Sonst muss ich mir noch ne gelbe Grapefruit zulegen ;) .


    Bezüglich des russischen Leders habe ich mal in einer Beschreibung von traditionell sämisch gegerbtem Leder nachgeschaut, das wird u.a. mit Dorschtran eingerieben, Russisch Leder zum Teil mit Seehundtran. Wie Dorschtran riecht weiß ich, weil neue Pferdesättel teils damit behandelt werden und möglicherweise kann ich auch bald mal an sämisch gegerbtem Leder riechen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dieser Geruch beim Juchtenellering auch noch vorkommen sollte, jedenfalls wird eine Suche nach einem Rasierwasser, das auch noch diese Komponente enthält wohl - auch mangels Verbraucherakzeptanz ;) - erfolglos bleiben.


    Guts Nächtle


    Birgit

  • Hallo zusammen,


    wirklich höchst interessant, mit welcher Verve sich Mykologen in die Duftforschung versteigen können :thumbup:.


    Nur eine Frage am Rande: Wozu braucht man einen Streichriemen, wenn man ihn nicht zur olfaktorischen Erkennung von Juchtenellerlingen verwendet?


    Grüße


    Hias

  • Hallo nochmals,


    wenn wir inzwischen gelernt haben, dass Juchtenleder bzw. Russisch Leder je nach Gerbgewohnheiten
    unterschiedlich riechen, welches "Juchtenleder" hatte dann der Erstbeschreiber des Duftes in der Nase?


    Da hilft tatsächlich nur der Juchtenellerling weiter!


    LG
    Rainer

  • Hallo,


    ich habe gerade diesen lustigen Faden entdeckt. Vielleicht hilft es wirklich, wie Rainer meint, mal die Erstbeschreibung zu lesen:



    Da wird besonders der "musky" also nach Moschus riechende Duft betont. Und als Ausweichvergleich Potentilla atrosanguinea (Blutrotes Fingerkraut), das kenne ich aber nicht...
    Aber vielleicht ihr.


    Herzlich


    Martin

  • Hi Martin,


    vielen Dank für Deine Recherche! Die Originaldiagnose hatte ich natürlich längst abgecheckt, siehe hier:
    Agaricus ptychophyllus Corda / Literatur-Recherche.


    Dieses Blutrote Fingerkraut gibt es wohl auch bei uns in Stauden-Gärtnereien zu kaufen, aber leider hatte ich jetzt nicht mehr die Gelegenheit eine blühende aufzutreiben. Als Geruchsvergleich ist diese Pflanze jedenfalls (wahrscheinlich, alo wenn der Geruch hinkommt) sinnvoller als ein "antiquarisches Leder", von dem heute niemand mehr weiß, wie es riecht, und das es heute in der Form nicht mehr gibt. Aber ich will mein eigentliches Anliegen nicht aus den Augen verlieren: Es gibt einen "Herrenduft"! Hatte heute 3 alte Haarwasser-Marken durchschnuppert, zwei auf der Basis von Birkensaft, eines kam in Nähe des Ellerlings: Birkin. Mal schauen wie destilliertes Birkenteer-Öl riecht.;-)


    Grüßle
    Jürgen


    P.S. Liebe Birgit, nimm doch ein winziges Fläschchen mit, und füll Dir bei Manufactum einfach ein bissel was ab, wenn niemand hinsieht:-))

  • [font=&quot]Hallo Hias,


    Deine Frage hatte ich glatt übersehen. Einen Streichriemen benutzt man zum schärfen eines Rasiermessers, besser gesagt zum scharf halten einer Klinge, denn beim Wetzen
    wird nur der feine Grat wieder aufgerichtet. Es ist bei Messer-Fans, die gerne rasierklingenscharfe Messer wollen, der letzte Schritt beim Schärfen. Zuerst wird mit Schleifstein
    gearbeitet, dann mit Schleifpaste poliert und zum Schluss mit dem Streichriemen gewetzt.


    Grüßle
    Jürgen
    [/font]

  • Hallo Jürgen,


    das Birkenteeröl wird, wie ich inzwischen gefunden habe, bei den Parfümherstellern für eine "männliche" (Leder!) Note zu den anderen Düften hinzugemischt.
    Es dürfte (neben Tabak) also ohnehin in etlichen Produkten für Männer zu finden sein.


    Der Hinweis einer Bekannten (arbeitet in einer Parfümerie) lautet, dass wohl jede gute Parfümerie entsprechende Listen hat, welche Produkte welche Ínhaltsstoffe haben. Und wenn Geschäftsinhaber/Innen alt und erfahren sind, dann können die das mitunter auswendig und wissen rasch, wonach jemand sucht.


    Ich kenne leider den Geruch vom Juchtenellerling überhaupt gar nicht, deshalb macht es keinen Sinn, dass ich in eine Parfümerie gehe.


    Vielleicht lässt sich auf diesem Weg das gesuchte Produkt schnell finden.


    Grüßle,
    usnea barbata

  • Hi usnea barbata,


    tja, was soll ich sagen; auf die Idee mit der Parfümerie, am besten eine, die eine(n) "Maitre de Parfum" angestellt hat, bin ich auch schon gekommen, aber trotzdem danke für diesen Tipp. Nur so viel; ich war vor ca einem Monat mit frischen Juchtenellerlingen in so einer pikfeinen Parfümerie, und niemand, auch "die" Maitre de Parfum nicht, hat diesem Pilz eine Tabac- oder Leder-note anriechen können, und das waren geschulte Nasen. Ich habe hier mittlerweile destilliertes Birkenteeröl auf dem Tisch stehen, und konnte noch vor meiner schweren Sinusitis den Duft testen: Dieses Zeugs riecht richtig unangenehm teerig, und hat nicht im Entferntsten was mit dem Duft des Juchtenellerlings zu tun.


    Grüßle
    Jürgen

  • Lieber Jürgen, hallo an Alle,


    am Freitag in München konnte ich an verschiedenen Dingen schnuppern. Knize Ten hat mich etwas enttäuscht, die Kopfnote aus Bergamotte war für meine zugegebenermaßen nicht so tolle Nase so schnell verflogen, dass ich sie nicht wirklich wahrgenommen habe, zurück blieb ein sehr anhaltender süßlicher Geruch nach Sandelholz und Leder, nicht wirklich mein Fall und wird wohl auch nicht der Juchtenellerling-Geruch sein. Ein Birkenhaarwasser gabs da auch, das roch jedenfalls ziemlich anders.
    Das Eau de Cologne von Farina riecht wirklich gut, auch wenns meiner Nase da nach mehreren Parfüms schon ziemlich gereicht hat.
    Außerdem bin ich in der Schuhcremeecke über ein Lederfett namens Burgol Juchtenfett gestolpert, das riecht für meine Nase eindeutig nach Fisch mit nener salzigen Komponente. Angeblich enthält das auch Auszüge aus der Birke, konnte ich aber nicht erschnuppern, ich hab dann doch lieber ein anderes Lederfett genommen, was nicht ganz so penetrant nach Fisch riecht ;-).
    Ausserdem hab ich noch an sämisch gegerbtem Leder und sowas ähnlichem wie lohgegerbtem Leder geschnuppert, was aber beides für mich nur nach Leder roch.


    liebe Grüße


    Birgit

  • Lieber Jürgen,


    gestern hörte ich wiederholt eine Meldung über das naturschützerische Potenzial des Juchtenkäfers. Als Schwabe sollte Dir der liebe Käfer eigentlich schon öfter zu Gehör gekommen sein ;-), wenns sogar mir als Bayern so ging ;-). Aber erstmals registrierte ich gestern bewußt das Wort Juchten und wollte wissen, warum der Käfer wohl so heißt. Möglicherweise hast Du das ja auch schon recherchiert, wenn nicht (Du ahnst es sicher schon ;-)): Der Sexuallockstoff des männlichen Käfers riecht laut Wikipedia nach Juchtenleder oder nach Aprikose (eine neue Variante, die wir noch nicht hatten ;-)). An heissen Tagen des kommenden Jahres könntest Du dann ja vielleicht einmal einen Ausflug nach Stuttgart machen, sollte es dann dort wirklich noch einige Exemplare des Käfers geben.


    liebe Grüße


    Birgit

  • Liebe Birgit,


    herzlichen Dank für den Tipp mit dem Eremiten. Das hatte ich anfangs tatsächlich verfolgt, aber schließlich im Aktenstapel gaanz unten eingeschoben. Zum Aprikosengeruch; Es gab vom Juchtenellerling auch schon fragwürdige Duftvergleiche, z.B. in einer Publikation aus den 50er Jahren, von einem gewissen J. HERINK. Dieser will einen Duft nach Kamillen- oder Schafsgarbenblüten wahrgenommen haben. In einem italienischen Exkursionsbericht (aus einem Forum) stand zu lesen, dass es wohl eine italienische Schuhcreme gibt, die so riecht. Wenn man übrigens zu lange an etwas schnuppert, riecht man es nicht mehr (Adaptation), und dann sind Tür und Tor offen für Halluzinatorisches;-))


    Grüßle
    Jürgen

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