Seten sehen, Inonotus verstehen ... (Inonotus cuticularis)

  • Hallo allerseits,

    ein kleines pilzliches Intermezzo meinerseits, bevor hoffentlich der Regen in der nächsten Zeit mal ein paar Funde mehr bringt.
    Zurzeit gleicht die Sichtung eines Trupps von Knopfstieligen Rüblingen schon einer Sensation.

    Vor knapp einer Woche sah ich im Mischwald/am Wegrand einen aufrecht stehenden Stammrest, in ca. 1 m Höhe gekappt, von oben bis unten bemoost und mit Efeu bewachsen. Nur am Stammfuß konnte ich noch etwas Rinde sehen, Buche halte ich hier für am wahrscheinlichsten.
    Auf dem Holz wuchsen neben dicken unförmigen (älteren) Kohlenkugelpilzen (Daldinia spec.) noch relativ ansehnliche Schillerporlinge, Inonotus spec., die ich in diesem frischen Zustand bisher noch nicht hatte.

    Das habe ich zum Anlass genommen, Detailfotos zu machen und auch nach Seten (per "Ultranah-Kamera") Ausschau zu halten.

    Ich denke, hier Inonotus cuticularis gefunden zu haben. Substrat Buche würde stimmen, obwohl ja sonst überwiegend (?) am lebenden Holz (nachgeschaut: und folge-zersetzend).
    Die FK waren noch recht jung, auch vereinzelt mit Guttationstropfen - aber recht unregelmäßig geformt. Sie wuchsen an zwei verschiedenen Flanken des Stammes und zusätzlich oben auf der Schnittfläche. (Größenvergleich siehe Efeublätter - also noch nicht sehr groß, aber deutliche Hüte bildend).

    Oberseits: ganz außen eine schön samtige und weißlich-orange Zuwachszone, danach eine Fläche mit orange-roten groben Haaren, danach eine etwas seltsame, schwärzlich haarige Zone, wo die Haare kürzer und weniger wirr erschienen.
    Direkt am Rand sind keine Poren, dann sehr feine schillernde Poren, durchaus 5 pro Millimeter (nicht pro Zentimenter, auweia ...), nach innen hin grober werdend ca. 3-4 pro Millimeter, sehr unregelmäßig geformt.
    Röhrenschicht und Trama ziemlich dünn und feucht, relativ weich, faserig rötlich-braun (nicht sehr dunkel)
    kein Mycelialkern




    Stammfuß


    Auf anderer Fläche abgelegt





    Details in einem weiteren Beitrag

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 


    Edited once, last by abeja (September 15, 2024 at 10:52 PM).

  • Die Detailfotos habe ich etwas später gemacht, da war das Stück deutlich trockener.

    Betr. der Seten habe ich mich an den Angaben in FoTE orientiert: "straight and hooked setae in the hymenium and branched setae in the cap felt". "Cap felt" ist im Buch abgebildet im Detail. Für mich sieht es so aus, als würden sich die dicken Haare (selbst) gabelartig teilen. Zusätzliche Strukturen sehe ich dort eigentlich nicht.

    Im Dörfelt:
    "Hymenialsetae braun, pfriemförmig bis bauchig, selten bis häufig vorkommend, Basis oft gewinkelt, Setae im Tomentum häufig, braun, verzweigt und mehrspitzig, oft ankerförmig, bis 200 µm lang;"
    Also 0,2 mm - das müsste die Kamera im Makromodus gut auflösen könnten - siehe auch die 5 Poren pro mm.

    Erst einmal der feine Filz am Rand, sehr einheitlich


    Danach sehe ich überwiegend diese orangen Haare, die beim angetrockneten Stück wirr durcheinander lagen. Zum Teil scheinen sie gegabelt zu sein. Besonders auffällig ist das an den Stellen, wo diese Haare spärlicher sind und in den feinfilzigen Bereich übergehen. Diese Haare sind aber länger als 0,2 mm.
    Kann man die gegabelten Haare als Seten auffassen - oder müsste das anders aussehen? Was Spitzes dazwischen? Hier nicht vorhanden ... Allerdings sehe ich bei FoTE auch nur gegabelte Haare, wobei die "Spitzen" der Haare auf dem Bild dunkler braun sind als der Rest.



    Seltsamerweise kommen dann im schwärzlichen Bereich des Hutes zwischendurch spitzere weißliche Strukturen vor (???)


    Hymenialseten sind auch in FoTE abgebildet (bei einer Detailaufnahme von Pseudoinonotus dryadeus, dort im Schnittbild der (feuchten) Röhren): da steht dann hin und wieder "etwas" leicht gebogen ab ("tanzt aus der Reihe")

    Bei meinen Aufnahmen fällt es mir auch wieder schwer, das nachzuvollziehen.
    Aus den Porenöffnungen unten "lugt" m. Meinung nach nichts heraus. (EDIT: oder doch hier und da auf dem zweiten Bild ... Spitziges!)



    Im Schnitt der Röhren sieht es für mich überwiegend einheitlich (faserig) aus, vielleicht steht hier und da etwas heraus (2. Bild), aber eher selten.
    Da, wo ich Röhrentrama von Kontext abgelöst habe, da sehe ich einzelne gerade bis gebogene Haare (oder Seten ^^ ?, links außen im Bild, abgehoben vom dunklen Hintergrund).


    Auffällig finde ich im letzten Bild die weißen Seten (???) in der schwarzen Zone (diese befand sich nach Antrocknen des Pilzstückes zwischen Röhrentrama und Kontext - aber nur partiell an einem Fleckchen - ich hatte das etwas auseinander gezupft).


    Kann ich das hier auf Inonotus cuticularis "festnageln"?

    Viele Grüße
    abeja

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    Edited 2 times, last by abeja (September 12, 2024 at 11:49 PM).

  • Vielen Dank für die Anregung, lieber Günter!

    Mit "diese Setae" meinst du jetzt aber diese "orangen Haare" (die verzweigen und teilweise wirklich wie ein Anker aussehen)?

    Viele Grüße
    abeja


    ... apropos Anregung ;)

    Es war einmal ein trüber Tag im frühen Herbst.
    "Poch-poch-poch" klopfte es an der Tür.
    Draußen stand ein kleines M und bat: "Lass mich doch hereiiin, gib mir ein Zuhauuuuse! Ich werde dir gar wunderbare Dinge zeigen: Kleines ganz groß und nicht ganz so Kleines noch viel größer. Du wirst eintauchen in den Mikrokosmos und phänomenale Erkenntnisse werden dir in unendlicher Vielzahl zuteilwerden." Dabei zitterte es (fast) im Wind.
    Ich jedoch antwortete: "M-chen, du weißt es vielleicht nicht: Meine Auflistung von Pro und Contra ergab aktuell ein Verhältnis von 1 bis 3 Pro-Argumenten zu 10-12 Contra, damit ist die Sache doch eindeutig!
    "So viele Contras?" fragte das M überrascht. "Das können doch nur ganz, ganz, ganz kleine, unwesentliche Dinge sein, im Angesicht der Pros! Nimm einfach die maximalen Zahlen und gewichte die Contras jeweils nur zu einem Viertel - und schon steht es 3:3! Oder nur zu einem Sechstel und schon ist das Ergebnis 3:2! Einfach die Dinge ein wenig anders gewichten, das sollte doch wohl möglich sein!"
    "Oh M, oh M - du kannst rechnen - und wie interessant ist diese Sichtweise ... oder wie skurril? Was ich warum priorisiere, geht dich nichts an!"
    Das war hart!!! Viel zu hart!
    Zeigte sich da ein kleiner Knick im rechten Tubus? Es klapperte und klapperte und klapperte mit dem Objektiv-Revolver (locker???) und ließ ihn rasend rotieren ... nahezu bedrohlich!
    Hastig schloss ich die Tür.
    Als ich vorsichtig nachschaute, war das M verschwunden.
    Puh.
    Da habe ich ja noch mal Glück gehabt.

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  • Hallo Abeja,

    irgendwie erschließt sich mir der Sinn der M-Geschichte nicht. Die Makroskopie- und Bilder-Recherchen benötigen doch sicher auch jede Menge Zeit.

    Beim Mikroskopieren ist oftmals gar nicht das "volle Programm" nötig, da genügt das Prüfen von Sporenform und -größe, Zystiden etc., um die ein oder andere "Bestimmungs-Option" ausschließen oder bestätigen zu können.

    Bei ausschließlich makroskopischer Herangehensweise bleibt es halt oft bei Vermutungen.

    Viele Grüße

    Harald

  • Bei ausschließlich makroskopischer Herangehensweise bleibt es halt oft bei Vermutungen.

    Hallo Harald,
    das ist mir doch klar ;) - und das wurde ja auch schon häufiger angesprochen.

    Deine Aussage entspricht aber in ihrer "Essenz" dem, was ich in neckischer Weise dem kleinen M in den Mund gelegt hatte. Egal wie viele und welche "Contras" es geben könnte - ob 1, ob 10, ob 100 - die zählen alle nicht, nur das Ergebnis zählt: die möglichst sichere Bestimmung. Alles andere MUSS DOCH unbefriedigend sein - und damit wird diese (also meine) ganze Herangehensweise infrage gestellt. Untergründig schwingt immer die folgende Bedeutung mit: "Das macht doch alles gar keinen Sinn" und das "pusht" in eine gewisse Richtung.

    Ich möchte mich nicht näher zu meinen vielzähligen, recht unterschiedlichen und zum Teil sehr privaten Gründen äußern, die mich davon abhalten, die Beschäftigung mit der Pilzkunde so weit zu intensivieren, dass ein M. zum Einsatz kommt. Und ja, das steht immer mal wieder "auf dem Prüfstand".

    Ein Punkt wäre aber folgender, der vielleicht sogar für viele Leute gilt:
    Die "me-time", d.h. die Zeit, die ich ausschließlich für mich habe - oder mir nehme! - sollte möglichst mir guttun und mit Dingen erfüllt sein, die mir Freude bereiten. Dazu gehören Aktivitäten in der Natur, Fotografieren, Nachbearbeiten, Bestimmen - nicht nur Pilze, sondern viel mehr. Alle Teilbereiche könnte man intensivieren, wenn man wollte - aber oft bleibt es natürlich beim Kratzen an der Oberfläche. Es sollte aber auch immer eine gewisse Balance bestehen bleiben, zwischen Outdoor-Aktivitäten und Stubenhockerei, zwischen Hobby und Alltag.
    "Die Makroskopie- und Bilder-Recherchen benötigen doch sicher auch jede Menge Zeit." Nicht sooo viel, das fällt mir auch sehr leicht und geht sowohl mal zwischendurch als auch gemütlich auf dem Sofa, Laptop und Bücher griffbereit. Außerdem dürfte das meiner Meinung nach keinesfalls wegfallen oder vermindert werden (Folge wäre m.M. eine deutliche Verschlechterung in der Makroskopie!) - es kämen aber noch viele weitere Recherchen dazu!
    Ich habe früher schon mal mikroskopiert (keine Pilze, kein eigenes Mikroskop). Es hat mir aber nicht so viel Spaß gemacht, dass ich mir gesagt hätte: "Das wird jetzt mein Hobby!" Wäre es so, hätte ich bereits Jahrzehnte Erfahrung.
    Oft liest man von Leuten, die sich recht teure M. anschaffen und nach kurzer Zeit wieder verkaufen wollen. Sie haben gemerkt, dass sie doch nicht so die Muße dafür oder einfach nur die Freude daran haben. Ebenso wird vom Zeitaufwand des Einarbeitens berichtet, von misslungenen Präparaten, von vielen, vielen Stunden, die schnell verstreichen. "Ich MUSS dies noch mikroskopieren und jenes noch, vielleicht habe ich am WE Zeit, gestern ging es bis spät in die Nacht", usw. Das muss man wirklich WOLLEN - und dafür anderes "beiseite räumen" (Was ließe sich überhaupt "beiseite räumen" und wäre das wirklich eine gute Idee?). Ist man sehr erfahren und weiß, hier braucht es nur dies oder das - und das M. steht stets einsatzbereit an einem guten Arbeitsplatz - und nicht eingepackt in der Ecke und muss auf den Küchentisch Platz nehmen - dann KANN es schnell gehen. Aber das halte ich nicht für die Regel!

    In der Pilzkunde wäre es für mich vermutlich rein zweckgebunden. Der Zweck wäre ausschließlich die sicherere Bestimmung. Tatsache ist aber doch, dass in vielen Teilgebieten das Mikroskopieren auch nicht mehr ausreicht. Also bliebe es ohne Sequenzierung häufig bei "Bestimmungs-Optionen".

    Doch mir genügen aktuell tatsächlich möglichst scharf eingegrenzte "Bestimmungs-Optionen" und im Idealfall das Wissen um die zusätzlichen Dinge, die man untersuchen müsste.
    Nur falls ich ernsthaft kartieren wollte, wäre eine sichere Bestimmung wichtig. Die Gegend hier wurde in den 90er Jahren sehr gut kartiert, fast alles ist schon verzeichnet. Zumindest ist hier kein "Kartierungs-Leerraum", den es lt. Pilze-Deutschland-Karte relativ häufig gibt. Ebenso müsste ich das M. liebgewinnen, falls ich mich - fast wissenschaftlich - auf ein Gebiet spezialisieren wollte. Dafür bräuchte es aber viel, viel, viel mehr Funde und Exkursionen in die entsprechenden, entfernteren, "besseren" Gebiete etc. - das ist aus privaten Gründen sowieso komplett unmöglich.

    Also was treibe ich überhaupt hier?
    I'm a content creator ... mit Pilzen bzw. Funden, die mir aus verschiedenen Aspekten interessant erscheinen, nicht nur für mich.

    Nur Beiträge, Fragen und Antworten, Diskussionen - auch Spekulationen - beleben ein Forum, oder nicht?

    Beste Grüße
    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 


  • Guten Abend,
    um noch mal auf den Inonotus zurückzukommen:

    Die Porenfeinheit (bis zu 5 pro mm), Fundort, Fruchtkörper"dünne" und -weichheit (ganz trocken ganz klein geworden) und vor allem die auffindbaren Verzweigungen in den relativ dick wirkenden Strukturen auf der Hutoberfläche reichen für mich aus, um den Fund mit Inonotus cuticularis zu beschriften.

    Ich habe jetzt noch mal geschaut, wie es mikroskopisch aussehen würde ...
    Das sind diese "normalen" (dickeren) Elemente direkt auf der Huthaut, da ist (anscheinend) nichts anderes - und diese Seten sind tatsächlich deutlich größer als die Seten im Hymenium (letztere kann man mit Kameramakro vermutlich wirklich nicht "sehen", nur "ahnen").

    Inonotus cuticularis (Flacher Schillerporling) – Fundkorb
    MycoDB : Fiche de Inonotus cuticularis
    https://www.researchgate.net/figure/Inonotus-cuticularis-Hallenberg-1362-GB-a-Section-through-trama-b-contextual_fig5_260085963

    Hier einige "Hutfilz-Nahaufnahmen" dabei (und kein einziges Mikrofoto)
    https://svampe.databasen.org/en/taxon/15521 ("show all photos of each observation" anklicken)

    Hier noch mal Ausschnitte aus meinen Bildern oben. Die Strukturen wirken vermutlich teilweise so hell, weil ich sie von oben mit einer starken LED-Lampe angeleuchtet hatte.


    Viele Grüße
    abeja

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  • abeja September 15, 2024 at 9:18 PM

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