Parasol

  • Hallo zusammen,


    folgende Frage. Seit einiger Zeit sammle ich Parasol. Ich nehme nur gut aussehende, große Exemplare mit. Die Erkennungsmerkmale auf die ich u.a. setze sind der nussige milde Geruch, die Größe (15cm +) und der verschiebbare Ring auf dem genaterten Stil. Dazu der kleine braune hut obenauf und das aussehen selbst. Neulich bin ich dann im Elsass doch nochmal ins Grübeln gekommen. So habe ich eine Variante gefunden, die deutlich dunkler war und deren Lamellen nach einiger Zeit rötlich wurden. Die Schuppen deutlich gröber als meine "normale" Variante. Ich habe diesen den Parasol Pilzen zugeordnet, dank unwissen aber alles nur fotografiert und nicht verzehrt.. meine Frage nun: gibt es tödliche Pilze die ich hier verwechseln kann?? Alles was ich hier bisher verstanden habe: zusätzlich zu den genannten Erkennungsmerkmalen kleine (<10cm) Pilze nicht mitnehmen, groß, aus dem Kompost und säuerlich riechend ebenfalls nicht mitnehmen. Wobei ich der Ansicht bin, das der Pantherpilz deutlich anders aussieht und ja auch nicht den verschiebbaren Ring aufweist. Der Safranschirmlinge bringt mich etwas raus, zumal der gefundenen Pilz sich ja auch rötlich gefärbt hatte. Daher würde ich mich über weitere Tipps freuen, zunächst welche tödlichen Pilze gibt es noch die mit dem Parasol verwechselt werden können? Und welche anderen giftigen Varianten neben dem giftigen safranschirmling gibt es? Da auch meine Kindern gerne den Parasol essen, möchte ich mich über die nächste Zeit (ja, auch im noch ausstehenden persönlichen Austausch mit Pilzexperten) noch wirklich von den gefühlten 98% zu denn 100% Sicherheit hocharbeiten :) danke also für alle weiteren Tipps dazu. PS: das Bild ist nur zur Verdeutlichung gedacht, wie viel dunkler die zweite rot anlaufende Variante war. Soll hier nicht zur endgültigen Bestimmung dienen...

  • Hallo und willkommen im Forum,

    ähm - also die fraglichen Pilze sind aber doch auf dem Foto?

    Oder sind das nur "irgendwelche" Pilze, die ähnlich aussahen?

    Die Pilze auf dem Foto röten ja deutlich, sehr deutlich. Die Hutschuppen sind nicht kontrastierend zum Untergrund. Ich denke, dass das der Olivbraune Safranschirmling, Chlorophyllum olivieri ist, der im Wald vorkommt (nicht auf Kompost oder Ähnlichem). Das, was man vom Stiel sieht, spricht auch dafür: der Stiel ist bei Chlorophyllum ungenattert! Der Ring ist jedoch ähnlich wie beim Parasol komplex aufgebaut und meist verschiebbar. (Der Pilz wäre im geeigneten Zustand essbar, oben diese Fruchtkörper erscheinen mir zu alt).

    Ansonsten gibt es noch eine dunklere Form vom Parasol, die je nach Auffassung auch als eigene Art abgegrenzt wird, Macrolepiota procera var. fuliginosa. Der ganze Pilz wirkt etwas dunkler, wenig kontrastreich, hat aber einen deutlich genatterten Stiel und den verschiebbaren Ring. Diese Form oder Art soll auch ein wenig röten können.

    Allgemein herrscht aber (wenn man so im I-net liest) viel Namensverwirrung, es gibt ja einige Macrolepiota-Arten (alle mit genattertem Stiel, alle mit verschiebbarem Ring - aber die Farben und Größen, sowie die Hutschuppen variieren da). Als Beispiel nenne ich mal M. rhodosperma - der kommt bei mir häufig vor, der ist etwas kleiner als der richtige Parasol, heller, bzw. zarter genattert, hat eine "Sternschuppe" oben auf dem Hut. Er schmeckt auch etwas weniger intensiv. Oder der Zitzen-Riesenschirmling, Macrolepiota konradii (edit: mastoidea, meinte ich...) der oben auf dem Hut eine deutliche "Zitze" hat und ansonsten relativ feine Schuppen hat.

    "Tödliche" Verwechslungsarten ... letztens wieder gelesen, was Leute alles verwechseln können ... deshalb kann man da gar keine konkrete Aussage machen. Gefährlich sind eben all die kleinen Schirmlinge ohne Natterung und ohne verschiebbaren Ring. Ich könnte mir sogar denken, dass Leute Knollenblätterpilze mit essbaren Riesen-Schirmlingen verwechseln ...

    VG
    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 


    Edited once, last by abeja (October 24, 2024 at 2:03 PM).

  • Hallo abeja

    Tausend Dank für deine ausführliche Erklärung. Bei dir steht mehr über die Varianten als in meinen Pilzbüchern :) genau danach hatte ich gesucht, danke! Ja, das sind die Pilze, das Foto ist halt schlecht in der Dämmerung, ich wollte tatsächlich nur zeigen wie deutlich dunkler die andere Variante war.

    Und nein, um den Knollenblätterpilz machen wir einen großen Bogen. Wir bleiben also bei großen Schirmlingen aber das mit den Varianten und mit der natterung lese ich mir auch noch etwas mehr an.


    Anbei dann noch ein paar Fotos, der erste ist Recht groß, auch ähnlich dunkel und rötete etwas, wenn auch nicht so stark, war aber auch schon ziemlich alt und es ist eine natterung am Stil erkennbar. Der helle Pilze hier den würde ich in die tödliche Varianten einsortieren. Relativ klein, unten am Stil knollenartig, sehr hell, kein verschiebbaren Ring. Würde ich als Knollenblätterpilz einsortieren. Aber meines Erachtens optisch schon deutlich anders aussehend als die Parasol, die ich so kenne und gerade auch am Stil ganz eindeutig.... Nochmal vielen Dank. Ich werde mir mal etwas mehr Infos über die von dir genannten Varianten besorgen!

  • Hallo,

    zunächst einmal würde ich die fotografierten Pilze nicht als gutaussehend bezeichnen. Das sind alte Schlappen, die ich nicht zum Essen freigeben würde. Der helle Pilz dürfte der Gelbe Knollenblätterpilz sein.

    Zur 10cm-Regel: Sollte man eigentlich vergessen. Bei meinen letzten Pilzwanderungen habe ich kleine Schirmlinge (Lepiota) präsentiert, die größer als 10 cm waren (Lepiota clypeolaria in ausgeprägter Wuchsform & Lepiota aspera, der sowieso gerne größer 10 cm ist), im Gegensatz zu deutlich kleineren Riesenschirmlingen (Macrolepiota excoriata & Macrolepiota rhodosperma).

    Außerdem bekommt man ziemlich häufig in der Pilzberatung Parasole vorgelegt, die zur Verwendung als Putzlappen taugen, aber nicht mehr zum Essen.

    Allgemeingültige Regeln (verschiebbarer Ring, etc.) sind zwar schön und gut, dennoch muss man immer im Einzelfall entscheiden und dabei vor allem einen gesunden Menschenverstand bewahren, aber daran fehlt es vielen. Man hat in der Pilzberatung oft den Eindruck, wenn es um Pilze geht, setzt der Verstand aus.

    Kurzum, immer wachsam bleiben!

    Beste Grüße
    Harald

    Landeskoordinator Pilzkartierung Hessen

  • Hallo,


    ersteinmal vorweg: ich bin seit gestern Nacht in diesem Forum und habe jetzt schon so hilfreiche Antworten.. vielen Dank dafür, richtig Klasse.


    Zum Menschenverstand... Nun ja, mein Problem ist eher der ausgeprägte Darwinismus ... Ich bin so ängstlichen das ich kaum überhaupt zum Pilze essen komme ;) dafür sammle ich aber viele schöne Foto

    Zurück zum Parasol. Harald, nicht ganz überraschend aber du hast mir ein wenig die letzten Hoffnung genommen, ein letztes 100% "Sicherheitsnetz" zu bekommen. Ich währe halt gerne 100% sicher, keinen tödliche Pilz zu erwischen. Ich probiere mich hier nochmal am Parasol, den ich eben gefunden habe:

    - großer schirmling, über 25cm

    - leicht genatterter stil

    - deutlicher Kontrast der Schuppen

    - verschiebbaren Ring

    - riecht innen mild, nussige

    Würde ich daher als essbaren Parasol identifizieren.

    Verzehr:

    - Lamellen etwas zu bräunlich

    - riecht aussen bereits leicht fischig

    Also zu alt zum Essen.

    (Wichtig wenn das hier jemand liest, es ist der Versuch eines Laien den Pilz zu bestimmten!!)


    Gruß,

    Adam

  • Hallo Adam,

    ja, das ist schon ein richtiger Parasol. Vorsicht ist angebracht, wenn die Hüte sich nach oben biegen und die Lamellen schon einen Braunton aufweisen. Das ist dann ein Zeichen für beginnende Alterung, was in ungünstigen Fällen eine Lebensmittelvergiftung nach sich ziehen kann.

    Du merkst, in mir steckt ein Teufelchen, dass den Menschen den Verzehr von Pilzen (nicht Supermarkt-Pilze!) verleiden will.

    :saint:

    Harald

    Landeskoordinator Pilzkartierung Hessen

  • Harald,

    So bist du also! :) Aber besser drei Mal nachdenken und prüfen als einmal daneben liegen. Nochmals vielen Dank hier für die Tipps, werde zu Hause wieder viel recherchieren und lesen. Eines hat jedenfalls sehr gut geklappt .. ich habe tolle Fotos gemacht. Und zuletzt hier, Off topic, noch ein letzter Pilz für euch mal zum bestimmen. Es ist kein Parasol :) dürfte aber nicht schwer fallen... Jedenfalls bin ich glücklich den gefunden und von allen Seiten fotografiert zu haben ;)

  • Hallo Adam,

    wenn Du Schirmlinge sammeln willst, hast Du mit der Abgrenzung des gelben Knollenblätterpilzes ja schon mal die erste Hürde genommen.

    Als nächstes müsstest Du sicher die echten Schirmlinge (Lepiota) und die Safranschirmlinge (Chlorophyllum) von den Riesenschirmlingen (Macrolepiota) trennen: Im ersten Beitrag zeigst Du ja einen Safranschirmling, und in dieser Gattung sind 2 von 4 Arten giftig:

    - molybdites (Grünsporiger S., giftig)

    - brunneum (Gift-S. , giftig)

    - rhacodes (Echter S., Speisewert unklar)

    - olivieri (Olivgrüner S., eßbar)


    In der Gattung Riesenschirmling gibt es auch 4 Arten bzw. schwer zu trennende Artkomplexe:

    - procera agg. (Parasol)

    - rhodosperma (Grobscholliger R., früher oft fälschlich als "konradii" bezeichnet)

    - excoriata (Acker-R.)

    - mastoidea agg. (Zitzenschirmling)

    Die sind nach bisheriger Kenntnis alle eßbar, aber nicht gleich schmackhaft.

    Und dann musst Du Dich von zu alten Pilzen trennen - die sind eine der häufigsten Vergiftungsursachen. Als PSV hätte ich vermutlich keinen der von Dir gezeigten Pilze zum Verzehr freigegeben.

    Grüße,

    Wolfgang

  • Hallo zusammen,
    da der Threaderöffner nach giftigen Verwechslungspartnern fragte, wollte ich noch etwas zu Chlorophyllum molybdites nachtragen:
    Dieser Pilz kommt in weiten Teilen der Erde natürlich vor.
    In den USA ist er für 15% aller dokumentierten Pilzvergiftungen verantwortlich.
    In Europa wurde er schon an verschiedenen Stellen nachgewiesen.
    Für uns am nächsten in den Niederlanden.
    Zur Giftigkeit:
    Er hat in den USA auch den Namen "wish-you-where-dead-ringer".
    Übersetztes Zitat aus dem Bericht eines Menschen, der sich damit vergiftet hat:
    Man stirbt nicht daran, aber man wünscht sich, man würde es.
    Merkwürdigerweise ist er nur für einen Teil der Menschheit giftig.
    Es wird über viele Vergiftungen berichtet, bei denen nur ein Teil der Teilnehmer einer Mahlzeit Vergiftungserscheinungen zeigte.
    Die Anderen lobten die wohlschmeckenden Pilze.
    Die Vergiftungserscheinungen bestehen in drei Tage andauernden Brechdurchfällen und Koliken.
    Nun zur Identifikation:
    Er hat grüne Sporen. Wenn er Sporen ausbildet, haben die Lamellen einen grünen Schimmer.
    Leider sind aus den USA Vergiftungsfälle mit Exemplaren bekannt, die keine oder nur sehr wenige Sporten gebildet habenn.
    Man findet Berichte im Internet, dass der Pilzsachverständige, der den Fall untersucht hat, nach langer Suche zwei Sporen gefunden hat.
    Wie der dann die Farbe bestimmt haben will, erschließt sich mir nicht.
    Vielleicht hat er die Sporen aber auf Grund anderer Merkmale identifiziert.
    Für mich habe ich entschieden, dass ich siedlungsnah wachsende Pilze mit dem Nachnamen Chlorophyllum nicht verzehre.
    Man sollte das Problem aber vor allem beachten, wenn man sich in den USA aufhält.
    Eine ehemalige Kollegin von mir ist im Raum Stuttgart aufgewachsen.
    Sie hielt sich aber mehrere Jahre in den USA auf und sammelte dort weiter fleißig "Parasole".
    Sie verließ sich auf das Merkmal "verschiebbarer Ring".
    Ich habe ihr gesagt, dass sie Glück gehabt hat:
    Sie gehört vermutlich zu den Menschen, die den Pilz vertragen.
    Gruß,
    Marcel

  • In den USA ist er für 15% aller dokumentierten Pilzvergiftungen verantwortlich.

    Hallo Marcel,

    sorry, das ich diesen Satz aufgreife, aber ich lese das auch öfter in den Medien.

    Ich halte diese Aussage für grundfalsch.

    Pilze sind für garnichts verantwortlich;)

    Verantwortlich sind IMMER die Menschen, die Giftpilze mit Speisepilzen verwechseln.

    Man könnte schreiben, das der Verzehr der Pilze für irgendwas verantwortlich ist, aber besser wäre es m. M. nach zu schreiben, das in 15 % der Fälle, wo Menschen vergiftet wurden, sie Chlorophyllum xy gegessen haben.

    Schöne Grüße, Peter

  • Moin,

    Der Chlorophyllum molybdites macht nicht jetzt tatsächlich fertig. Laut quellen ist der Geruch nicht zwingend sauer. Einziges eindeutiges Merkmal sind die grünen Sporen, aber nur wenn er diese bereits entwickelt hat. Wie bitte kann man den dann vom Parasol auseinanderhalten? Zumindest ist er nicht tödlich, aber nur das er "eigentlich" nicht im Wald und eigentlich nicht bei uns wächst ist ja jetzt doch schon etwas dünn,oder?


    (Und ja, war der Tintenfischpilz, haben uns total über den fund und die Bilder gefreut... )

  • Alle Chlorophyllum-Arten haben einen UNGENATTERTEN Stiel, ganz glatt - eher faserig (und die Ringstruktur unterscheidet sich auch vom parasoligsten Parasol, aber das bekäme ich vielleicht auch nicht 100proz. in jeder Situation auseinander - dafür muss man das alles schon mal genauer in natura gesehen und betastet haben.)

    Manche Leute erkennen z.B. bei Macrolepiota rhodosperma auch nicht gut, dass der Stiel genattert ist - eben sehr fein, sehr hell - man muss da an verschiedenen Stellen gucken und auch in Betracht ziehen, wie jung oder alt der Pilz ist (weil das im Wachstum aufreißt).

    Hat man also einen glatten (faserigen) Stiel - dann kann das keine Macrolepiota-Art sein - ganz egal, ob die Hutschuppen so ähnlich wie beim Parasol aussehen.

    VG
    abeja

    PS: von den Chlorophyllum-Arten nehme ich persönlich nur den C. olivieri aus dem Wald - und auch nur dann, wenn die Hutschuppen mit dem Untergund eindeutig Ton-in-Ton sind. Falls da Zweifel aufkommen (auf angefragten Bildern erscheint das manchmal unklar), dann ließe ich die Finger davon.

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 


  • Hallo zusammen,

    ich stelle hier noch einen Link zu einer US amerikanischen Beschreibung von Chlorophyllum molybdites ein, die ich recht gelungen finde:

    PP324/PP324: The Green-Spore Poison Parasol Mushroom, Chlorophyllum molybdites

    Kleiner Hinweis zum Englisch: Gills sind Lamellen, keine Kiemen wie Google glaubt.

    Außerdem steht da:

    "that is the most common cause of mushroom poisoning in the United States", heißt "der die häufigste/üblichste Ursache für Pilzvergiftungen in den USA ist". Wenn ich Peter folge, ist die Ursache aber der Mensch, der sie mitnimmt. Ich halte die Formulierung, so wie sie ist, aber für völlig in Ordnung.
    Gruß,
    Marcel

  • Hallo allerseits,

    was ich gestern schrieb, muss ich noch mal "verklarifizieren". ^^

    Ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass alle Macrolepiota-Arten einen genatterten Stiel hätten - zumindest sichtbar, wenn man sich den Stiel ganz genau anschaut. Das ist so nicht ganz richtig, denn der Acker-Riesenschirmling, Macrolepiota excoriata entwickelt dieses "Müsterchen" nicht. (Ich habe die Art leider noch nie gefunden).

    Dazu heißt es in Fungi of Temperate Europe: "stem surface is finely felty, but lacks a distinct snake pattern:"

    Im Tintling (und ähnlichen Texten im Web) http://tintling.com/pilzbuch/arten…_excoriata.html
    "StieI gerade, zur Spitze etwas verjüngend, jung glatt, weiß und voll, ohne Natterung (!), alt hohl, rauh bis feinflockig, zur Basis bräunend."

    @Marcel: sicherlich kann man "cause" mit "Grund" bzw. "Ursache" übersetzen. Diese beiden Begriffe sind aber deutlich neutraler als "verantwortlich sein für" (wenn man da von der ursprünglichen Wortbedeutung ausgeht) . Im Alltagsgebrauch wird das vielleicht zu oft synonym verwendet.

    Bei "verantwortlich sein", die "Verantwortung tragen", sich "verantworten müssen für" schwingt immer die Bedeutung mit, dass ein bewusstes Handeln vorliegt, für das man anderen Personen/ Institutionen Rechenschaft ablegen muss.

    Verantwortung – Wikipedia
    de.wikipedia.org

    Der arme Pilz kann ja nichts dafür, dass er so ist, wie er ist - und er kann sich auch nicht ändern. ;)

    VG
    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 


  • Hallo Abeja,
    du schreibst:
    Bei "verantwortlich sein", die "Verantwortung tragen", sich "verantworten müssen für" schwingt immer die Bedeutung mit, dass ein bewusstes Handeln vorliegt, für das man anderen Personen/ Institutionen Rechenschaft ablegen muss."
    Das halte ich für ein völlig falsches Sprachverständnis.
    Verantwortlich ist der, der sich nicht dagegen wehren kann, dass man ihn für verantwortlich erklärt.
    Ich gebe ein Beispiel aus meinem Arbeitsleben:
    Bei meinem ehemaligem Arbeitgeber gab es einen Arbeitsunfall.
    Ein Mitarbeiter stürzte von einer Leiter. Er hat zum Glück keine schweren Verletzungen dabei erlitten.
    Bei jedem Arbeitsunfall wird genau untersucht, wer dafür verantwortlich ist.
    Was war die Ursache des Sturzes?
    Der Mitarbeiter hat einen Thyristor berührt, der Netzspannung führte.
    Durch die metallische Leiter gab es einen Erdschluss.
    Warum hatte der Mitarbeiter einen Thyristor berührt, der Netzspannung führte?
    Er musste Installationsarbeiter an einem Gerät durchführen, das in der hohlen Decke eingebaut war.
    Die Netzspannung abzuschalten war keine Option, denn damit wären weite Bereiche des Gebäudes ohne Netz gewesen.
    Der Mitarbeiter hätte dann zunächst einmal im Dunkeln gestanden und hätte auch keine Türen passieren können.
    Ich hatte damals auch das betreffende Gerät als Testmuster in meinem Einflussbereich.
    Damals warnte man sich unter der Hand - nicht offiziell:
    "Auf dem Thyristor liegt Netzspannung, passt auf!"
    Nun ist man üblicherweise in einer Testumgebung nicht gut geerdet und darum passiert meistens eher wenig.
    Dadurch, dass der Techniker auf der Leiter stand, war er geerdet.
    Wer war verantwortlich?
    Wir Techniker waren damals alle der Meinung: die Entwickler des Gerätes.
    Wie können Teile, die der, der installiert, berühren kann, unter Netzspannung stehen?
    Wir lagen völlig falsch.
    Der Mitarbeiter arbeitete übrigens schon mehrere Jahre für denselben Arbeitgeber.
    Verantwortlich, war der Mann, der seit einer Woche vor dem Arbeitsunfall, der Vorgesetzte des Mitarbeiters war.
    Grund: Der Mitarbeiter hatte niemals eine Sicherheitsbelehrung erhalten.
    Weil der Mann seit einer Woche der Vorgesetzte war, war er dafür verantwortlich.
    Gruß,
    Marcel

  • Hallo Marcel,

    ich finde es nicht in ordnung abeja eine Antwort aus dem arbeits alltags eines E-Technikers zu geben, den der Leie nicht nachvollziehen kann. Zumal sogar schon jeder Schwachstromer in der Ausbildung die "Sicherheitsbelehrung" bekommt! Wie du schreibst "wir waren der Meinung", das ist in meinen Augen leichtsinn, aber nicht professionell. Als Profi testet man immer ob "Saft"drauf ist, so lebt man länger. Übrigens währe er geerdet gewesen, wie es vorschrift ist, ... möchte hier nicht die einfachen Sicherheits vorschriften auflisten.

    Viele Grüße

    Hans

  • Ja, wir schweifen gerade herrlich ab - aber macht ja nichts ... so hin und wieder.

    Hallo Marcel,
    wenn ich schreibe "schwingt Bedeutung mit" heißt das nach meinem Sprachverständnis, dass es sich nicht um eine eindeutige Definition handelt. Es könnte abweichende Meinungen darüber geben, was alles inbegriffen oder ausgeschlossen ist (siehe den länglichen Wiki-Artikel). Ich hätte auch so etwas schreiben können wie "bewusstes oder unbewusstes Handeln oder Nichthandeln, wo nachfolgend andere denken, dass man dafür Rechenschaft ablegen (können) müsste".

    Bei deinem Beispiel haben mehrere Leute "Pech" gehabt (bitte nicht versuchen, Pech zu definieren, je nach Sprachverständnis), der verunglückte Arbeiter und der neue Vorgesetzte. Wenn der Mitarbeiter niemals eine Sicherheitsbelehrung bekam, dann sind m.M. nach auch die vorherigen Vorgesetzten "verantwortlich". Der Geräteentwickler ist auch "verantwortlich", wenn nicht überall unübersehbare Warnhinweise sind, falls die Konstruktion oder Situation vor Ort ungewöhnlich kritisch ist. Der Arbeiter ist (auch) für sich selbst verantwortlich, weil er an so etwas überhaupt nicht denkt - STROM ey, da muss man immer ufpasse. Der neue Vorgesetzte ist (auch) verantwortlich, weil er sich bei der Übernahme des Jobs nicht überzeugte, ob es vorher Sicherheitsbelehrungen gab - er nahm das wohl als gegeben an. Wer dann ausschließlich oder in Teilen haftbar gemacht werden kann, darüber könnten sich Juristen trefflich streiten.
    Wäre ich der neue Vorgesetzte und als einzige Person in die Verantwortung "genommen worden", hätte ich das juristisch angefochten.


    Gute Nacht
    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 


  • Hallo Abeja,
    Hallo Hans,
    ich arbeite als Softwareentwickler.
    Ich habe zwar ein Diplom für Elektrotechnik, aber keine Lehre.
    Das heißt ich darf nur Verkabelungen machen, wenn ich nur Schutzkleinspannung ausgesetzt bin.
    Mein Arbeitgeber möchte zwar immer wieder, dass ich auch Netzanschlüsse verkabele, aber dafür lasse ich immer einen Elektriker mit abgeschlossener Lehre kommen.
    Auch der Verunfallte war kein gelernter Elektriker und hätte darum nur Schutzkleinspannung ausgesetzt werden dürfen.
    Ich habe noch nie in meinem Leben an meinem Standardarbeitsplatz eine Sicherheitsbelehrung erhalten.
    Beim Einsatz bei Fremdfirmen gibt es manchmal eine Sicherheitsbelehrung bezüglich des Verhaltens auf Wegen, die sowohl von Menschen begangen, als auch von Maschinen befahren werden.
    Sinnvoller wäre eine Belehrung über die beweglichen Teile einer Maschine und wie man vermeidet, dass man da Körperteile hineinbringt.
    (Ich arbeite momentan im Maschinenbau.)
    Bei dem verunfallten Techniker hätte sich die Sicherheitsbelehrung auf das korrekte Aufstellen der Leiter und ähnliches beschränkt.
    Der Techniker hatte an dem Punkt, an dem Netzspannung anlag, nichts zu tun.
    Er hatte an den Schutzkleinspannungsteilen Veränderungen zu machen.
    Er berührte dabei aber versehentlich den Thyristor.
    Das Problem dabei war, dass er auf irgendeine Art und Weise geerdet war.
    Vermutlich hatte er keine isolierenden Schuhe an, vielleicht war er aber auch mit dem Finger am Thyristor und mit dem Ellenbogen an der Leiter etc.
    Wenn man auf einer hohen Leiter steht und in der Decke hantiert, kommt so etwas eben mal vor.
    Der Konstruktionsfehler ist, dass jemand der Änderungen an der Schutzkleinspannungsteilen macht, die Chance hat, Netzspannung zu berühren.
    Chancen gegen die Entscheidung rechtlich vorzugehen, gibt es keine.
    In dem Moment, in dem jemand Vorgesetzter wird, hat er die Verantwortung dafür, dass alle Vorschriften aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt sind.
    Genau das ist das Problem mit der Verantwortung: Man hat sie durch das Amt, nicht auf Grund irgendeines Verhaltens.
    Ich möchte hier noch einen weitaus traurigeren Fall schildern:
    Mein ehemaliger Arbeitgeber war ein Konzern. Dazu gehörten auch Chemieunternehmen.
    Einer dieser Betriebe arbeitete mit Flusssäure.
    Eines Nachts ging ein Mitarbeiter in der Nachtschicht an einer Apparatur vorbei.
    Diese hatte einen Defekt und setzte Flusssäure frei. Seine Haut kam in Kontakt damit.
    Er starb am nächsten Tag.
    Die Ursache war, dass er ohne Schutzbekleidung unterwegs war.
    Nebenbei: Es gibt immer wieder Leute, die etwas von hochgiftigen Stoffen in Pilzen erzählen.
    Das wäre lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre.
    Flusssäure ist hochgiftig: Ein Tropfen auf der Hand - nicht rechtzeitig behandelt und du stirbst daran.
    In diesem Fall war in der Nachtschicht die medizinische Versorgung nicht ausreichend gegeben.
    Ich habe übrigens während meiner Diplomarbeit auch mit Flusssäure hantiert und wurde auch nicht sicherheitsbelehrt.
    Als ich von dem Fall erfuhr, kam ich nachträglich ins Gruseln.
    Wer war juristisch verantwortlich?
    Der Vorgesetzte.
    Man fand Zeugen, die aussagten, dass er darüber Bescheid wusste, dass der Mitarbeiter mehrfach ohne Schutzbekleidung unterwegs gewesen war.
    Er konnte keine Zeugen beibringen, die bewiesen, dass er den Mitarbeiter auf sein Fehlverhalten hingewiesen hatte.
    Der Mann wurde auf Grund des Vorfalls entlassen.
    Wenn ich die Verantwortung festlegen sollte, würde ich dann auch diejenigen nennen, die dafür verantwortlich waren, dass für die Nachtschicht keine ausreichende medizinische Versorgung organisiert war.
    Auch wenn der Mitarbeiter Schutzbekleidung trägt, kann es vorkommen, dass diese versagt.
    Gruß,
    Marcel

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