Inocybe (Marginatae) von 1999

  • Servus Risspilz-Freunde,

    eine unbestimmte Kollektion aus 1999 ist mir wieder "in die Hände gefallen" und weckte mein Interesse wegen auffallender Merkmale: Stiel fleckenweise dunkelnd, gestreift wirkend, mit rotbraunen Farben unter weisslichem Reif und sehr dunklem Hut sowie seitlich "eigedellte" Sporen. Soweit aus den angehängten Fotos nicht zu ersehen hier noch einige Mikro-Details:

    Sporen 8-10 (11) x (4,5) 4,7-6,3 (6,5) µm, glatt mit einer geraden bis eingedellten Seite und abgerundeter bis leicht konischer Spitze
    Hymenialzystiden 47-73 x 10-13 µm (Pleurozystiden meist nur bis ca. 60 µm), lageniform bis (sub-) zylindrisch, Wände um 1,5-2 (2,5) µm, gelblich

    Unter den bekannten glattsporigen Cortinatae mit dunkelndem/schwärzendem Stiel kommt keine in Frage: I. tenebrosa sieht anders aus, I. vulpinella hat viel größere Sporen, I. tjallingiorum und die alpine I. fuscescentipes haben andere Hymenialzystiden mit deutlich dickeren Wänden. Bei den Arten mit normalerweise nicht dunkelnden Stielen landet man in den Schlüsseln in der Nähe von I. leiocephala (subbrunnea). Der kann es aber weder makro- noch mikroskopisch sein.

    Da kein ganz junger Frk. dabei war, käme auch eine Cortinatae mit zu weit herabreichenden Stiel-Zystiden in Frage. Aber auch dort passt keine Beschreibung gut genug. In Frage käme z. B. I. tarda, aber auch da ist das Äußere untypisch (v. a. der Stiel) und die Sporen sind zu klein. Aus Kanada ist noch eine I. brunneolipes beschrieben, die ähnlich scheint, aber dickere Zystidenwänden (u. a.) aufweist.

    Hat jemand eine Idee dazu? Oder die Art auch schon gefunden?

    Gruß

    Helmut

    Für 2014 wünsche ich Euch allen reichlich interessante Funde und die dafür nötige Gesundheit und die erforderlichen Ressourcen!

  • Guten Abend und frohes neues Jahr, lieber Helmut und alle übrigen!
    Also unter dem Vorbehalt, dass ich mit dieser Art von makroskopischem Foto meine Probleme habe und mir außerdem die Umgebung fehlt, in der die Pilze standen (und du hast dazu keine Angaben gemacht), und unter dem Vorbehalt, dass ich nicht weiß, inwieweit lediglich zwei Zystiden die Gesamtheit der Zystiden wiederspiegeln.... also eingedenk dieser Vorbehalte weiß ich nicht, warum das nicht I. tjallingiorum sein sollte.
    FÜR diese Art sprechen die Farbe des Hutes, der gänzlich bereifte Stiel, der Habitus, dann vor allem das Schwärzen des Stieles, das ja typisch ist für I. tjallingiorum, des weiteren die von dir erwähnten im allgemeinen nur bis 60 µm gehenden Pleurozystiden - ebenfalls typisch für tjallingiorum, dann die Form der Zystiden, falls diese zwei Zystiden die Allgemeinheit wiedergeben und auch die Länge der Sporen bis nur etwa 10 µm. All das passt wunderbar. Dein Argument, dass die Zystidenwände nicht passen würden, kann man leicht entkräften, denn tjallingiorum hat sehr unterschiedlich breite Zystidenwände, du brauchst nur in verschiedenen Beschreibungen über sie nachzuschauen, das schwankt kolossal zwischen etwa 2 und 4,5 µm! Und bei deinen beiden Zystiden sind die 2 µm am Hals meiner Einschätzung nach aber locker erreicht (und man weiß ja meistens nicht, wie diese Angaben zustande kommen, also wo gemessen wurde!). Wir haben die Art vor allem im letzten Jahr sehr häufig gefunden, zuletzt mit gefühlten 200 Fruchtkörpern an einem einzigen Platz. Und die Zystiden waren auch hier extrem uneinheitlich! Auch die Sporenform ist variabel. Wir haben inzwischen mehrere DNA-Analysen der Art, die identisch sind.
    Alle übrigen von dir genannten Arten würde ich völlig ausschließen, und ich kenne auch keine weitere Art der Splendentes-Gruppe, auf die auch nur annähernd so viele Details passen würden.

    Liebe abendliche Grüße
    Ditte

  • Liebe Ditte,

    danke für Deine ausführliche Antwort. Die Dicke der Zystidenwände war bisher für mich immer eines der "Leitmerkmale" für meine Artenkonzepte. Das hier eingestellte Zystidenfoto zeigt noch welche der dickwandigeren, die meisten hatten dünnere Wände. Ich habe mal einige Zystiden zusammengestellt (5 Teilstriche = 10 µm).
    Die ökologischen Angaben wollte ich noch dazu schreiben, hab's aber dann vergessen: An Wegrand bei diversen Laub- und Nadelbäumen auf Sandboden (sauer).

    In einem vergleichbaren Biotop (Sandgrube) fand ich 2013 eine weitere Kollektion mit dickeren Zystidenwänden, so wie ich das für I. tjallingiorum erwarte. Insgesamt habe ich aber sehr wenige Aufsammlungen dieser Art, sie ist hier (nördl. Bayern) offenbar selten. Deshalb kenne ich die Variationsbreite der Art noch nicht aus eigener Anschuung.

    Gruß

    Helmut

  • Guten Abend, Helmut, Sandboden passt wunderbar, ich hoffte gewissermaßen, du würdest das sagen. :)
    Soweit ich mich jetzt erinnere, sind alle unsere Aufsammlungen von Sandboden - außer den alpinen. Und immer weit im Gelände verstreut verschiedene Kollektionen. Das würde also bei deiner gut passen. Nur finde ich die neu gezeigten Zystiden in der Form recht ungewöhnlich - zumindest ein paar davon. Ich kenne sie eben eher kurz und ganz oder recht halslos. - Für mich gehört tjallingiorum aber zu den eher trickreichen Arten. Sie narrt einen recht oft! Sie ist für mich eine "Gern"-Art: die gern auf Sandboden wächst, gern rundliche Sporen und gern recht kurze Zystiden hat und gern ....usw. usw. - aber eben nur "gern".

    Was die Zystidenstärke angeht,häng ich dir hier drei Fotos an, von drei verschiedenen Kollektionen, da sieht man die Unterschiede und auch unterschiedliche Zystidenformen. (Hinzu kommen Aufsammlungen mit richtig dicken Wänden.) Alle drei wurden DNA analysiert, alle drei sind tjallingiorums und mit geprüften tjallingiorums in den Genbanken identisch.

    Liebe Grüße
    Ditte

  • Hallo zusammen,

    in der Fröttmaninger Schotterheide sind mir heuer auch wieder zwei Kollektionen untergekommen, die ich als I. tjallingiorum bzw. cf. tjallingiorum angesprochen habe. Gemeinsames Merkmal waren im Alter etwas nachdunkelnde Stiele, makroskopisch schwache bis fehlende Bereifung im unteren Stielbereich, relativ kurze Hymenialzystiden und vor allem apikal meist abgerundete, kaum konische Sporen. Der Standort war stets bei Weiden auf steinigem Kalkschotterboden.

    Kollektion 12/2013:

    Pleurozystiden:


    Kollektion 13/2013:

    Diese zweite Kollektion weicht in der Form der Hymenialzystiden deutlich ab.

    Die kompletten Dokus zu den beiden Aufsammlungen findet ihr hier (Nr. 12 und 13).

    Beste Grüße

    Hias

  • Hi, ich halte beide Aufsammlungen trotz der unterschiedlichen Zystiden für I. tjallingiorum. Und was die mangelnde Stielbereifung unten angeht: auf deinen Makrofotos sieht man bei einzelnen Fruchtkörpern wunderbar, dass sie gänzlich bereift sind oder waren.
    Die auf Sand oder Kies gewachsenen Inocyben haben es in sich, die sind immer irgendwo extrem - entweder haben sie riesige Sporen oder besonders dickwandige oder extrem dickwandige Zystiden oder alles zusammen oder sie sind auf andere Weise extravagant. Deshalb faszinieren sie mich ganz besonders.
    Deine Fröttmaninger Heide kenn ich durch deine Funde jetzt schon ganz gut - ich will da unbedingt mal hin! Vielleicht sagst du mir mal Bescheid in diesem Jahr, wenn's da brummt, dann versuch ich mich freizumachen und für zwei Tage runterzukommen. Ist ja nicht so weit von mir aus.
    Liebe Grüße
    Ditte

  • Hallo Hias,
    ein wenig Variabilität würde ich den Pilzen schon zugestehen. Du stellst sie ja auf Deiner Seite im Einzelnen sehr gut dar, und auf den ersten Eindruck – der ist meist noch relativ objektiv – finde ich die Zyst. gar nicht so abweichend. Wichtig ist auch immer der Gesamteindruck. Das macht auch die Beurteilung im Internet immer so schwierig, da man trotz guter Dokus immer nur Details sehen kann. Ich hänge auch nochmal 2 Beispielbilder an: Cheilos mit großem Durcheinander, was die Form betrifft. Bei den Pleuros sieht das schon etwas geordneter aus.
    Vorteilhaft ist es auf jeden Fall (von Beurteilung der Ornamentierung mal abgesehen), auf starke Vergrößerungen zu verzichten und dafür lieber mehr abzubilden. Am besten ist es natürlich immer noch, wenn man sich die Pilze selbst unterm Mikroskop anzuschauen kann.
    Gruß Andreas

  • Hallo alle,

    Andreas hat hier ein Thema angeschnitten, das mich schon länger beschäftigt: Die taxonomische Bewertung der Cheilo- bzw. Pleurozystiden. Da bei Letzteren, wie Andreas sagte, "mehr Ordnung herrscht", habe ich mir schon lange angewöhnt, schwerpunktmäßig die Pleurozystiden zu untersuchen - an Präparaten ohne Lamellenschneide. Bei den Cheilozystiden ist die Form und Wandstärke meist extrem variabel - vielleicht ist es sinnvoll, sich da auf gewisse Tendenzen zu konzentrieren: viel größer oder kleiner als die Pleuros; dicht oder schütter stehend; auffallend stärker gilbend als die Pleuros; und natürlich die Ausprägung der Parazystiden von unauffällig basidiolenartig bis groß und an der Schneide dominierend.

    Bei der Untersuchung der Kaulozystiden ist es so ähnlich, finde ich. Stangl zum Beispiel liefert bei Marginatae meist Angaben zu den Kaulozystiden unterhalb der Stielmitte. Klar muss man den Stiel dort untersuchen, zumindest bei kritischen Arten, deren Bereifung undeutlich ist. Aber um die Beschaffenheit der Kaulos zu analysieren, eignen sich die im oberen Stieldrittel eigentlich besser, weil sie nicht so "ramponiert" sind wie die unteren, das gilt vor allem für extremistische Arten, die sich durch den Schwemmsand zwängen oder sich auf windumtosten alpinen Matten herumtreiben.

    Beste Grüße

    Hias

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