Beiträge von Herbsttrompete

    Hallo Andreas, hallo Wolfgang und auch hallo an alle Anderen, die hier fleißigst mitlesen!


    Zuerst einmal vielen lieben Dank für die spannende Diskussion, ihr habt mir damit auf jeden Fall meinen Abend verschönert :)

    Bei den mykologischen Argumentationen kann ich euch sicher nicht das Wasser reichen, jedoch habe ich einige Dinge zum juristischen Teil eurer Arguentationen zu ergänzen:

    Sammler XY findt einen Pilz und bestimmt ihn mit einem Buch oder übers Internet als Boletus subappendiculatus. Er schaut in die BArtSchV ob diese Art geschützt ist - ist nicht aufgeführt. Immerhin liest er die Einleitung und schaut daher in die dort als taxonomische Referenz angeführte Referenzliteratur - auch dort ist die Art nicht aufgeführt. Also muss er doch davon ausgehen dass die Art nicht geschützt ist. Punkt. Nichts anderes ist juristisch relevant.

    Da muss ich ganz klar widersprechen! Wir bedienen uns in der Rechtswissenschaft dem dreistufigen Deliktsaufbau (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld - in genau dieser Reihenfolge), das bedeutet, die subjektive Ansicht des Täters, hier der Sammler XY, ist für den rechtlichen Schutz des boletus subappendiculatus vollkommen irrelevant.

    Die Frage, ob der b. subappendiculatus ebenfalls durch Anlage 1 der BArtSchV geschützt wird, hängt weder mit der Praktikabilität, noch mit der alltäglichen Relevanz oder der Einsicht eines "Normalbürgers" zusammen.
    Im Gegenteil, die rechtliche Lage und somit der rechtliche Schutz des b. subappendiculatus wird zu Beginn festgestellt, die Frage, ob der Sammler sich in diesem konkreten Fall strafbar gemacht hat erst danach.


    Aber natürlich gibt es auch für solche Fälle eine ganz klare juristische Lösung. Insbesondere im BGB bedienen wir uns der sogenannten Analogie. Das bedeutet, sobald ein konkreter Sachverhalt nicht vollständig vom Gesetz erfasst wurde, wird eine ähnliche Vorschrift analog angewendet.

    In unserem Fall bedeutet das Folgendes: Der Schutz des b. subappendiculatus ist planwidrig gesetzlich ungeregelt, es wird also eine ähnliche Vorschrift (in diesem Fall Anlage 1 BArtSchV) gesucht, deren Rechtsfolge auch hier zum Tragen kommen kann. Hierbei muss klar berücksichtigt werden, dass die Anhängselröhrlinge zum Zeitpunkt des Erlassens des Gesetzes (2005) noch nicht grundsätzlich getrennt worden sind. Bei der Frage, ob diese Lücke des gesetzlichen Schutzes des b. subappendiculatus gewollt (dies würde bedeuten, er soll wirklich nicht geschützt werden) oder ungewollt (Analogie kann angewandt werden) muss der damalige Kenntnissstand (und auch NUR der damalige Stand) begutachtet werden.

    Da b. appendiculatus und b. subappendiculatus in dem angegebenen Werk zusammengefasst werden, ist klar davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Unterscheidung nicht treffen konnte und die Vorschrift des b. appendiculatus auch analog auf b. subappendiculatus angewandt werden kann.

    Zustimmen muss ich Dir jedoch bei der rechtlichen Bewertung des Verhalten des Sammlers XY. Natürlich ist es seine Pflicht, sich zu informieren, doch in diesem Fall unterliegt er ganz klar einem Irrtum. Er denkt, b. subappendiculatus sei nicht geschützt, obwohl er es eigentlich ist (s. oben). Ein Irrtum schließt die Strafe nicht grundsätzlich aus, vielmehr muss nun gefragt werden, ob der Irrtum für den Sammler vermeidbar gewesen wäre. Beim ersten Mal gebe ich Dir vollkommen recht, der Sammler hat sich informiert und die ganze juristische Ansicht dahinter muss er nicht erkennen; der Irrtum war also i.d.R unvermeidbar (jedoch nicht immer, das ist abhängig von den persölichen Kenntnissen des Sammlers, für einen Juristen könnte dieser Irrtum vermeidbar gewesen sein). Doch spätestens beim zweiten Mal liegt kein Irrtum mehr vor, der Sammler wusste von dem Schutz des b. subappendiculatus und muss somit auch die vollen Konsequenzen für das Sammeln tragen.


    Ich hoffe, ich konnte etwas juristische Klarheit in die Frage bringen.


    Euch allen noch einen schönen Abend und ganz liebe Grüße,


    Alina


    P.S. Vielleicht gibt es ja sogar ein BGH-Urteil dazu? Als Jurastudentin kann ich diese Sonntag kostenlos einsehen. Sollte es eins geben, melde ich mich nochmal!