Hallo allerseits,
zum Schluss noch ein Fund, wo ich die hier Mitlesenden an meinen "Irrungen und Wirrungen" teilhaben lassen möchte.
Ich fotografierte diese Porlingsmumien aus dem vorherigen Beitrag und hatte sie dafür auf einen kleinen Felsbrocken abgelegt.
Da sah ich plötzlich daneben mehrere "Pilzgestalten", die auf Holzresten wuchsen. Fundort am Wegrand, halb-schattige steile Böschung mit Steinchen und Holz durchsetzt. Auf der anderen Seite des Weges fließt ein Bach, also ist die Luftfeuchtigkeit dort dauerhaft relativ hoch.
Die Fruchtkörper hatten oben eine "ebene Abschlußfläche", diese war schon etwas "lädiert", weißlich bis grau-braun ... die gelb-orangefarbenen Anteile am Rand sind mir vor Ort in dem Licht gar nicht so aufgefallen, Größe der Scheibe bis ca. 5 cm im Durchmesser.
Spontan dachte ich an "riesenhafte" Teuerlinge unbekannter Art ... und meinte, dass sich innendrin "etwas" entwickeln müsste, was dann oben herauskäme nach Öffnung des "Häutchens" ...
Dann fasste ich den "Dicken" an, die Seitenflächen gaben nach!
Es fühlte sich wie eine mit Wasser prall gefüllte Plastiktüte an.
Einen mittelgroßen Pilz habe ich dann geöffnet: innendrin war von oben bis unten eine homogene, fast-flüssige Gallerte.
In der Seitenansicht sah - genau betrachtet - das Ganze doch becherartig oder urnenförmig, wenn auch recht unförmig aus. Es dauerte etwas, bis ich das für einen Becherling hielt - ich wusste auch noch nicht, dass es da so! großvolumige Gallerten gibt.
Den passenden Namen habe ich quasi per Zufall entdeckt, als ich mir Pilzfunde von den Seychellen bei inaturalist angeschaut haben:
Trichaleurina javanica stand zu diesem Zeitpunkt zufällig ganz oben.
https://www.inaturalist.org/observations/24740860 (Der Finder ist ein ortsansässiger und an der dortigen Uni tätiger Biologe aus Belgien)
Man findet heraus, dass die Art bereits seit Jahren auf den Seychellen nachgewiesen wurde.
In dieser Veröffentlichung von 2013 werden Funde von den Seychellen (2009) mit sequenziert. Es ging um die Abgrenzung zu der neu beschriebenen Art Trichaleurina tenuispora (sieht genauso aus auf Bildern). Herbarbelege von Trichaleurina polytricha sowie Urnula philippinarum haben sich ebenfalls als Trichaleurina javanica erwiesen (die Namen sind somit Synonyme). Früher wurde das, was man jetzt als Trichaleurina bezeichnet, mit in die Gattung Galiella gestellt. Es hat sich jedoch gezeigt (morphologisch und genetisch), dass die Typusart Galiella rufa nicht nahe verwandt ist.
Trotzdem lasse ich ein cf. an meinem Artnamen - denn wer weiß - vielleicht kommt ja auch Trichaleurina tenuispora auf den Seychellen vor, wurde aber noch nicht gefunden. Meine "wunderschönen" Exemplare waren also - obwohl unterschiedlich groß - schon in ziemlich "fortgeschrittenem" Stadium.
Anfangs sind sie rundlich mit kleiner "Öffnung" oben, die Fruchtschicht ist schön gelblich, die Gallerte fester. Die Außenseite hat im frischen Zustand deutlich Haare.
Meist kommt dann - mehr oder weniger scherzhaft - die Frage "Kann man die essen?"
Und die Antwort wäre "JA!" ... aber es wird auch wenig kompliziert.
Bei der Recherche nach weiteren Dokumenten über Trichaleurina javanica stieß ich mehrfach auf das Wort "edible" oder auch "edibility unknown" und auf Begriffsverwirrung bzw. Verwechslung mit Galiella rufa.
Einige PDF-Dokumente, auch mit Bildern und Mikromerkmalen:
Trichaleurina javanica from West Java (2020)
"Only Galiella has been reported for edible in Sarawak (Abdullah & Rusea, 2009), identified as Galiella rufa, known as ‘mata kerbau‘ (buffalo eyes) in local people. Other reports for other genera have not available yet for the edible category."
Das bezieht sich hierauf:
Documentation of inherited knowledge on wild edible fungi from Malaysia (Abdullah, Rusea, 2009)
ZitatGaliella rufa (Schwein.) Nannf. & Korf
This dark brown rubbery cup fungus with a firmer semi-solid, depressed centre which ranged in colour from mustard yellow to light tan is known as ‘mata rusa’ (deer eyes) in Sabah . It is quite rarely found but known to the Dusuns (and perhaps neighbouring communities as well) who prized it for its edibility. The same species is eaten in Sarawak where it is known as ‘mata kerbau‘ (buffalo eyes). The fungus is usually found attached to branches and twigs with the spore-bearing depressed centre facing upwards.
(Ohne Bilder und/oder Mikromerkmale etc. ... aber darauf beziehen sich dann viele andere.)
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"Edibility unknown"
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ZitatIt is one of the less known wild edible mushrooms belonging to Ascomycota. ...
But much later (Carbone et al. 2013b), the genus Trichaleurina was established with well supported morphological and molecular evidence with at least two clearly defined species — T. javanica and T. tenuispora. Moreover, Carbone et al. (2015) also clearly distinguished G. rufa by giving a detailed description of the micro-morphological characters for clear identification in future. ...
This (EDIT: dieses "this" beziehe ich auf die ab 2013 als Trichaleurina bezeichneten Arten) Galiella complex (until recently) mushroom which is mustard yellow to light tan in colour is known as ‘Mata Rusa’ (deer eyes) in Sabah, by Dusuns and ‘Mata Kerbau’ (buffalo eyes) in Sarawak, Malaysia (Abdullah & Rusea 2009) was consumed and prized in the market. In India, we found the same mushroom is consumed raw by the Oorali tribe of Sathyamangalam forest (not reported earlier). This is not reported as an edible fungi from any other part of India. ...
Trichaleurina javanica contains a mild salty sweet liquid which is similar to that of the liquid found in palmyra palm fruit. During our collection it was also observed that the sporocarp is vigorously fed by few larvae and common snail of this region.
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Zum Vergleich
Studies in Galiella (Ascomycota, Pezizales) I. Notes on Galiella rufa (Carbone et al. 2015)
Galiella rufa ist eine bekannte ost-amerikanische Art. In vielen Texten wird von einem Vorkommen in Malaysia berichtet, das ist aber fraglich.
Galiella rufa sieht für mich (die Makroskopikerin ) auf den vertrauenswürdigen, wissenschaftlichen Seiten schon deutlich anders aus.
ZitatFinally, the records of G. rufa in Malaysia (ABDULLAH & RUSEA, 2009) seem doubtful and definitely need more studies. According to our morphological and phylogenetical studies (still unpublished) we believe that its geographical range should be restricted to the eastern part of North America.
PUH!
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Zur Entspannung mal eine andere Form von Text:
unterhaltsam, mit schönen Bildern und mit Hinweisen, wo unter welchem Namen Trichaleurina javanica als Nahrung genutzt wird
(Worte identisch zu oberen Links, aber in Verbindung mit Trichaleurina javanica, nicht mit Galiella rufa)
Verwendung in der Küche auch in Taiwan, mit Rezept!
Jetzt wird es spannend!
Was findet man unter den Namen "Mata kerbau" "Malaysia"?
Man findet Büffel, die einen groß anschauen ...
sowie Rezepte mit Spiegeleiern ...
und die Suche und Verarbeitung von dicken, gelatinösen Pilzen, die in den Videos exakt wie die Bilder von Trichaleurina javanica ausschauen.
Wer ein paar Minütchen Zeit und Lust hat, in fremde Welten einzutauchen - voilá:
Memproses mata kerbau@sungar part 2
8 Minuten Zubereitung von etwas festeren (Gallerte zum Teil oben weißlich) "Büffelaugen". Sie werden mundgerecht zerschnitten, mit viel!!! frischem Limettensaft, viel Salz und viel!!!! per Hand zerdrückten superkleinen Chilies (heat index 1 Million???) mariniert - und roh gegessen.
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Cendawan mata kerbau / sungar ungar / buffalo mushroom
2 Minuten durch den Wald laufen und "Büffelaugen" sammeln. Größere, weichere Pilze öffnet der Sammler von unten und schlürft sie roh aus.
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Tumbuhan Ajaib Tungar-ungar (Mata Kerbau)
5 Minuten durch den Wald laufen und "Büffelaugen" sammeln. In kleinere, festere Pilze beißt der Sammler herzhaft hinein, wie in einen Apfel.
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CARA MEMASAK JAMUR MATA KERBAU
Knapp 3 Minuten in der Küche: Zubereitung im Wok mit Auberginen, Zwiebeln und diversen Gewürzen
(mit Rezept! ... "Ebi" sind getrocknete Garnelen, irgendwie klein gehäckselt)
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Cari kulat mata kerbau terjumpa daun paling merbahaya
Gut 15 Minuten durch den Wald laufen und diverse Pilze sammeln, darunter winzige! Spaltblättlinge und winzige (vermutliche) Neonothopanus vom Holz "knibbeln", sowie "Büffelaugen" finden. Später Zubereitung als Mischgericht im Wok mit Gemüse. Die kleinen Pilze (Schizophyllum und Neonothopanus) erscheinen in der vorbereiteten Schüssel etwas größer und dunkler, vielleicht wurden sie vorgekocht/abgekocht.
Viele Grüße
abeja