Fragen zur Tricholomataceae Familie

  • Hallo liebe Pilzfreunde,


    Kurz zu mir um mich vorzustellen: Ich komme aus Österreich bin mitte 30ig und beschäftige mich nun aktiv/intensiv seit 1nen Jahr mit Pilzen und dem ganzen drumherum.


    Nun ist mir fllgende Frage untergekommen die ich in einem anderen Forum bereits gestellt habe und mir nun denke, dass ich bei eurem Forum vielleicht eher eine Antwort bekommen könnte!

    Diese Frage richtet sich eventuell an die alten Hasen und Experten unter euch.


    Mir ist nun untergekommen, dass zB Hallimasche, Samtfußrüblinge zur Familie der Ritterlingsartigen gehören. Zuerst wird in meiner Literatur (Gaby Keller und Rudolf Winkler) Tricholomataceae s.l. angegeben und dann Physalacriaceae , - warum?! Gehören diese nicht nur zur Familie der Physalacriaceae?

    s.l. heißt ja soviel wie im weiteren Sinne?


    Im Netz und in jeder anderen Literatur die ich habe lese ich, dass diese zur Familie der Samtfußverwandten gehören (Physalacriaceae).



    Ebenso bei den Helmlingen steht das im Buch von Gaby Keller und Rudolf Winkler dabei obwohl diese ja zur Familie der Mycenaceae gehören?


    Was stimmt nun ?, ich kenn mich nicht mehr aus...


    Danke euch!

  • Hallo AustriaMyco,

    Deine Frage impliziert ja die Annahme, dass es zur Familieneinteilung eine einzige, unverrückbare Wahrheit gäbe. Das ist nicht so. Familien sind menschgemachte abstrakte Gliederungsebenen von Verwandtschaften. Dass heute eher vielen kleinen anstatt wenigen großen Familien der Vorzug gegeben wird, würde ich eher als Modetrend bezeichnen als als Wahrheit.


    Heute werden die Verwandtschaften aus Ähnlichkeiten bestimmter DNA-Loci abgeleitet. Die ganz alte Familie der Tricholomataceen wurde noch aus morphologischen Gesichtspunkten definiert.


    Die Arbeitsmethodik hat natürlich Einfluss auf die Ergebnisse. Das wird auch in Zukunft so weitergehen.


    Grüße,


    Wolfgang

  • Hallo zusammen


    Ich habe es inzwischen aufgegeben, die "richtige" Familie einer Gattung herauszufinden.

    Im Moment arbeite ich gerade an Xeromphalina, dazu folgendes Zitat aus der Monographie (2004):


    Xeromphalina was placed in the tribe Myceneae by SINGER (1986) while KÜHNER (1980) placed it in the Marasmieae. This genus is sometimes placed in the family Xerulaceae (REDHEAD 1987) that is not accepted by some other mycologists (e. g. CORNER 1991). The present authors place it in the Tricholomataceae in the sense of SINGER (1986) near Baeospora, Mycena, and Marasmius.


    Im Index Fungorum ist Xeromphalina aktuell in der Familie Mycenaceae. Offenbar wurde die Meinung seit Erscheinen der Monographie mindestens noch einmal geändert.


    Wer hat nun recht? Vermutlich keiner, das sind alles nur Meinungen aufgrund verschiedener Merkmale.

    Heute bemüht man sich mit genetischen Methoden das alles zu bestätigen, umzukrempeln oder zu festigen - aber wer weiss denn, ab wieviel % genetischer Abweichung (vereinfacht gesagt) ein Pilz in eine andere Familie gehört? Auch dieser Grenzwert muss der Mensch wiederum mehr oder weniger willkürlich festlegen. Man kann sich da auf irgendwas einigen, aber dadurch wird es nicht zur Wahrheit, sondern es ist dann einfach die gegenwärtige wissenschaftliche Ansicht.

    Letztendlich ist also - wie Wolfgang schon schreibt - das Konzept einer "Familie" nur ein Fantasieprodukt der Menschen, um Struktur ins Chaos zu bringen. Dadurch aber nicht weniger nützlich, man muss sich einfach damit abfinden dass es nichts Eindeutiges und Endgültiges ist.


    Noch zum Begriff "Tricholomataceae s.l." bei Winkler/Keller: Das dient den Autoren zur Strukturierung ihres Buches, und um sowohl "klassischen" als auch "modernen" Lesern einen Zugang zu ermöglichen. Sie berücksichtigen sowohl die klassische Grossfamilie Tricholomataceae (darum s.l.), die auf morphologischen Merkmalen basiert, aber dann auch die neue/breitere Aufteilung aufgrund genetischer Erkenntnisse.


    Lg Raphael

  • Hallo,

    das finde ich so sehr gut beschrieben.

    Ich befasse mich ja auch (erst) seit ca. 10 Jahren mit Pilzen, wenn auch nicht extrem tiefschürfend.

    Mir kommt es vor allem darauf an, einen gesichteten Pilz einer Gattung zuordnen zu können. Das heißt, mit der Zeit erschließen sich immer mehr gattungstypische Merkmale - aber auch die Gattungszugehörigkeiten werden durch die genetischen Untersuchungen immer wieder revidiert. Am Anfang habe ich tatsächlich alle meine Fotos nach Familien (Stand 2012/ 2013, in den damaligen Büchern) geordnet. Irgendwann habe ich das aufgegeben.


    Wenn in einem neuen Buch noch diverse Gattungen auch unter Tricholomataceae s.l. mit genannt werden, obwohl sie aus heutiger Sicht anderen Familien zugeordnet werden, dann dient das - der Meinung bin ich auch - der Orientierung vor allem für langjährige Pilzkundler.


    Orientieren kann man sich z.B. hier (Abfrage zu Physalacriaceae/ oder zu Armillaria und dann auf P. geklickt):

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    Und ganz klein gedruckt, aber nicht unwesentlich:

    "Note that the taxonomic opinions listed here are not always up to date and may include errors. Please report them to our curator."


    VG

    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 




  • Vielen lieben Dank euch allen für die guten Erklärungen!

    Nun hat sich der Nebel bei mir etwas gelichtet!


    Dass die Pilzwelt ja ständig im Wandel ist und sich vieles immer wieder ändert ist spannend :)

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