Friedhofs-Wiesenpilze am Helloween-Wochenende

  • Liebe Pilzfreunde,


    nachdem Tobias Luschner gestern vor einer Woche der tolle Fund von Arrhenia rosella in der Kissinger Heide

    gelang, schauten wir noch auf einen Friedhofsrasen, der eine Saftlingsgesellschaft aus Vertretern der Gattungen Clavaria/Keulen, Clavulinopsis/Wiesenkeulen, Cuphuphyllus/Ellerlinge, Geoglossum/Erdzungen, Gliophorus/Schleimsaftlinge und Ramariopsis/Wiesenkorallen beherbergt.


    Das Habitat wirkte auf mich völlig unspektakulär: Der Rasen ist mit Moos, Habichtskraut und Spitzwegerich durchsetzt. Allerdings war das Grün durch etliche Exemplare des Glasigweißen Ellerlings (Cuphophyllus virgineus) weiß gepunktet. Leider gibt es hiervon kein Foto, weil wir das Shooting aufgrund des einsetzenden Regens abbrechen mussten.


    Erst nach einigem Hinsehen fielen uns die grünen, bestens getarnten Fruchtkörper (Frk.) des Papageigrünen Saftlings (Gliophorus psittacinus) ins Auge:




    Sie blassen unter Lichteinfluss zunehmend gelb aus und sind dann aufgrund des Farbkontrasts leicht zu erkennen. Am längsten hält sich das Grün übrigens im oberen Stielbereich am Hutansatz. Die Hutfarben können auch braune und rosa Töne enthalten, selbst weiße Bereiche können auftreten. Leider fanden wir keine solchen Exemplare, um das zu dokumentieren.


    An dieser Stelle möchte ich von einer bemerkenswerten Beobachtung berichten: Vor mehreren Jahren entnahm ich auf der Königsbrunner Heide einige Frk. des Papageigrünen Saftlings zur Nachuntersuchung. Ich verpackte die Kollektion in Alufolie und verfrachtete sie daheim in den Kühlschrank. Als ich nach ca. 24 Stunden den Pilz auspackte, erschienen die beim Aufsammeln deutlich „entgrünten“ Frk. (siehe Foto unterhalb) wieder in frischem Grün. Ich hoffe, dieses Phänomen eines Tages reproduzieren zu können.



    Neben den grünen und gelben „Papageien“ leuchteten uns die rotbraunen Hütchen des Ziegelbraunen Saftlings (Gliophorus europerplexus) von Gliophorus sciophanus entgegen. In die Hutfarbe mischt sich zuweilen Grün, wodurch Olivtöne entstehen. Die Frk. bleiben für gewöhnlich kleiner als die das Papageigrünen Saftlings. Wie bei ihm sind sowohl der Hut als auch der Stiel schleimig. Der (abgesehen von Grüntönen) farblich recht ähnliche Zähe Saftling (G. laetus) lässt sich durch die herablaufenden Lamellen und gelatinösen/abziehbaren Lamellenschneiden gut abgrenzen.




    Als erste Wiesenkeule entdeckten wir eine Gruppe mit unverzweigten, gelben Exemplaren, die jedoch mangels mikroskopischer Sporenmerkmale (glatt oder warzig/stachelig? Maße? Apikulus lang/kurz?) unbestimmt blieb. Generell bin ich mir unschlüssig, mit welcher Literatur heutzutage keulen- und korallenförmig Wiesenpilze zu bestimmen sind: Der Jülich ist vmtl. zu alt? Lieber Ellis & Ellis? Oder Funga Nordica 2? Freue mich über jeden Tipp!



    Ein makroskopisch leicht zu erkennender Vertreter der Gattung Clavulinopsis ist hingegen die Geweihförmige Wiesenkoralle (C. corniculata) mit gelben und mehrfach dichotom verzweigten Fruchtkörpern. Sie können durchaus so groß werden, dass sie die Grasnarbe überragen. In unserem Fall spitzelten jedoch nur ein paar Astenden heraus. Wer nicht gezielt danach sucht, kann dann (wie bei vielen Wiesenpilzen) daran vorbeilaufen, ohne den Pilz zu bemerken.




    Dann gab ein weiterer Fund Anlass zur Freude: Tobias entdeckte die bislang unbestimmte Wiesenkoralle (Ramariopsis sp.) wieder, die er schon im Vorjahr bemerkt hat. Sie hat einen Strunk und blass bräunliche bis weißliche Farben – kann das subtilis sein? Vermutungen und Hinweise zur Bestimmung werden gerne entgegen genommen.



    Ob es sich bei den keulenförmigen Pilzen daneben einfach nur um das Weiße Spitzkeulchen (Clavaria falcata) handelt oder eine andere Art jener Gattung blieb mangels Mikroskopie offen. Gleiches gilt für dieses einzelne Exemplar unmittelbar daneben:



    Zum Schluss entdeckte ich noch eine Erdzunge, die Tobias gleich als Schuppige/Täuschende Erdzunge (Geoglossum fallax) ansprach. Bei dieser Art weist der Stiel eine feinschuppige Oberflächenstruktur auf. Auf Tobias’ Internetseite gibt’s ein kurzes Porträt.




    Schade, dass zuletzt Regen einsetzte. Ich bin mir sicher, dass die Friedhofswiese noch etliche Pilzüberraschungen zu bieten hat. Angesichts der bislang gefundenen Arten wollen Tobias und ich uns jetzt eine Strategie überlegen, wie wir die Grünflächen auf dem Friedhof vor unbedacht angelegten Blühstreifen schützen können. In jedem Fall ein großes Dankeschön an Tobias, dass er mir dieses wertvolle Kleinod gezeigt hat. :thumbup:


    Schönen Restsonntag und morgen einen guten Start in die neue Woche!


    Gruß, Andreas

    Webmaster, FA Öffentlichkeitsarbeit

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas Kunze () aus folgendem Grund: Korrektur: Gliophorus europerplexus > G. sciophanus

  • Guten Morgen beisammen,


    dank eines Hinweises von Elisabeth Mettler auf Facebook (besten Dank an dieser Stelle!) darf ich die Bestimmung des vermeintlichen Gliophorus europerlexus in G. sciophanus korrigieren:

    Zitat

    [...] die echte europerplexus ist eher Toffefarben und robuster, matter im Ton. Die was wir immer als G. psittacina var perplexa bestimmt haben, ist eigentlich sciophanus. G. perplexus ist eine N.A. Art. Ob es europerplexus bei uns überhaupt gibt weiß ich nicht. Die Fotos und meisten Nachweise auf pilze-deutschland.de dürften sciophanus sein. Sciophanus hat wie psittacinus eine grüne Primärfarbe [...]


    Gruß, Andreas

  • Ich hänge hier mal das passende Paper an,


    dass sich mit G. europerplexus sensu B.T.M. Dentinger, A.M. Ainsworth, & P.F

    und Gliophorus sciophanus sensu (Fr) Herink, Mundaka (Bi) phylogenetisch befasst. Leider auf Spanisch/Baskisch, aber wichtig sind ja die Fotos und der Stammbaum ;)


    Außerdem greift die Arbeit nochmal G. reginae auf.


    LG, Elisabeth

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