Typhula mit weißlichem Sklerotium?

  • Hallo miteinander!


    Letzte Woche fand ich auf verschiedenen diesjährigen Blättern einer Laubschicht kleine weiße Keulchen, Ulmer Hochsträß, 570 mNN, basischer Untergrund.

    Bei der mikroskopischen Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich um Sklerotien handelt, aufgrund des puzzle-artigen Musters der "Peridie" + Schnallen liegt eine Typhula-Art nahe. Im Schlüssel von Jens H. Petersen & Ibai Olariaga, 11/06/12. Typhula werden aber nur farbige (gelb-rot-braun-schwarze) Sklerotien beschrieben. Die Frage ist eh: kann ich die Art nur anhand des Sklerotium bestimmen?


    Die Sklero-Keulchen sind


    MAKRO:

    • auf nassem, liegendem diesjährigem Laub (noch keine Verrottung): 2x Eschenblätter, 1x Lindenblatt
    • weißlich
    • bis 3,5 mm lang, max. Ø 1 mm
    • länglich keulenförmig oder zylindrisch, manchmal lanzettlich, nie verzweigt, Spitze immer gerundet
    • mit einem minimalen Stiel punktförmig auf dem Blatt verwachsen, häufig an den Blattadern
    • ungeotropes Wachstum auf beiden Blattseiten in beliebigen Richtungen


    MIKRO:

    • komplett bedeckt mit puzzle-artigen Platten, sie sind hart-sprödbrüchig, glatt (nicht gepunktet oder porig) und hyalin, Dicke 1,5...3 µm
    • in Kongorot reisst bzw. löst sich die Platteschicht ab und rollt sich i.d.R. ein
    • innen angefüllt mit reich verwobenen und mäßig verzweigten Hyphen unterschiedlicher Wanddicke in verschiedenen Ø
    • mit bogenförmigen Schnallen, das "Loch" im Bogen ist aber nur sehr klein
    • in einer Gel-Matrix eingebetttet
    • im Gel zahlreiche feine rechteckige Kristalle
    • lässt sich nicht quetschen)*

    Insgesamt habe ich 4 Frk. zerlegt – überall ± dasselbe Bild. Im ersten Präparat gab es aber auffällig viele gleichartige Sporen in der unmittelbaren Umgebung der Präparatstückchen: zylindrische bis schmalelliptische Form, am Apikulus leicht gebogen, glatt, hyalin, inamyloid, Größe 9...10 x 3...4 µm (relativ ungenaue Messung mit 320x, da )* ––> mit der 100er Linse nicht scharf zu stellen (Präparat zu dick)). Im zweiten Präparat (dünner) fand ich keine entspr. Sporen. Nun sind ja bei einem Sklerotium sowieso keine Sporen zu erwarten, aber vielleicht habe ich irgendwas Fertiles übersehen? Es gibt jedenfalls keine Garantie dafür, dass diese Sporen überhaupt etwas mit dieser Fruktifikation zu tun haben, vielleicht aber schon...


    Was meint Ihr dazu? Lässt sich da etwas eingrenzen? Könnte ich noch was untersuchen?


    Viele Grüße – Rika




    "Peridie" 320x (Sichtfeld-Ø = 400 µm), Mitte + rechts in Kongorot, rechts Schnitt


    Weiter 320x: li Schnitt – oben Peridie, re Hyphen in Gel-Matrix (Kongo)


    Fortsetzung der Mikro-Bilder in der "Antwort".

  • Hier die Fortsetzung:


    Hyphen in Gel-Matrix, große Schnalle, Kongorot – 320x (Sichtfeld-Ø 400 µm); das grieselige Zeug in Schwaden sind die Kristalle:


    Hyphen mit bogenförmigen Schnallen – 800x (Sichtfeld-Ø 160 µm):


    Links die lang-rechteckigen Kristalle (800x); rechts die unbekannten Sporen (320x):


    So, nun bin ich neugierig auf Eure Meinung zu diesen Sklerotien – hoffentlich hat überhaupt jemand im Vorweihnachtsstress Zeit für so ein unbekanntes Wesen...


    Viele Grüße – Rika

  • Hallo Thorben und Abeja,


    habt herzlichen Dank für Euren Input!

    Könntest Du, Thorben, mir noch verraten, wie Du auf phacorrhiza gekommen bist?

    Leider werden die Sklerotien nur wenig beschrieben... und ich würde es gerne nachvollziehen können.


    Nun habe ich einige Std. dazu recherchiert, am aufschlussreichsten ist diese Veröffentlichung:

    Phylogenetic origins and family classification of typhuloid fungi, with emphasis on Ceratellopsis, Macrotyphula and Typhula (Basidiomycota)
    Typhuloid fungi are a very poorly known group of tiny clavarioid homobasidiomycetes. The phylogenetic position and family classification of the genera targeted…
    www.ncbi.nlm.nih.gov

    Stud Mycol. 2020 Jun; 96: 155–184. Published online 2020 Jun 12.

    PMCID: PMC7388190 PMID: 32774511

    Phylogenetic origins and family classification of typhuloid fungi, with emphasis on Ceratellopsis, Macrotyphula and Typhula (Basidiomycota)

    I. Olariaga, S. Huhtinen, T. Læssøe, J.H. Petersen, and K. Hansen


    Demnach fällt gemäß genetischer Analyse ausgerechnet phacorrhiza (und juncea) bei Typhula raus und sollte in Richtung Macrotyphula gestellt werden! Die Autoren schlagen eine neue Familie vor "Phyllotopsidaceae" (bestehend aus Sclerotium, Marcotyphula, Typhula, Phyllotopsis und Pleurocybella), siehe Link Fig. 3. Die restlichen Typhulas stehen relativ weit entfernt in ihrer eigenen Typhulaceae-Familie.


    Nur nebenher: Von manchen Autoren wird die "Krüppelform" der Röhrigen Keule Macrotyphula fistulosa als eigene Art Macrotyphula contorta angesehen, von anderen als Varietät. In o.a. Artikel kommt "contorta" nicht vor – woraus ich (hoffentlich nicht voreilig) schließe, dass Beides dasselbe ist!?


    Hier habe ich noch Mikro-Aufnahmen zur Oberflächenstruktur der phacorrhiza-Sklerotien gefunden, die zu meinen passen:

    Typhula phacorrhiza record


    Neben Abejas Link fand ich noch Abbildungen von solch jungen, weißlichen Sklerotien hier:
    https://www.gbif.org/occurrence/gallery?taxon_key=2539100

    In der Fotogalerie befinden sich jedoch einige Bilder von Macrotyphula fistulosa sowie deren "Krüppelform" und mehrere dichte Rasen von Binsen-Keulen-Ähnlichen, die ich wg. der rasigen Wuchsform eher zu Macrotyphula juncea stellen würde – aber alles mit "T. phacorrhiza" beschriftet ––> nicht wirklich seriös oder nicht auf dem neuesten Stand gemäß dem ersten Link? Nur mal bezogen auf phacorrhiza und juncea (Macrotyphula fistulosa hat da wirklich nichts verloren).

    Dazu hier findet man dort hier https://www.gbif.org/tools/zoo…331b3aefa154c97f3caa589c3 (auf lateinisch) folgendes – Google-Übersetzung:

    "Von der Anatomie her sehr typhulaartig und in keiner Weise zu Clavaria hingezogen. Das abgeflachte Sklerotium, auf dem dieser Sämling geboren wird, ist das Wintermyzel.

    Clavaris juncea v. gracilis und Typhula phacorrhiza sind die gleichen wie unsere Exemplare, sodass an der Synonymie kein Zweifel mehr besteht. (E. Coemans)"

    Nachdem dieser Mykologe von 1825–1871 gelebt hat, kann man ihm das nicht übel nehmen. Aber heutzutage sollte man auf neuere Erkenntnisse setzen.


    Was mich noch wundert: Die Binsen-Keule finde ich im späteren Herbst regelmäßig bei entspr. Witterung im Buchenlaub. Schon oft habe ich die Frk. vorsichtig soweit ausgegraben, bis ich zu den feinsten Myzelsträngen kam – und noch nie habe ich ein Sklerotium gefunden und die Funde entspr. (Macro-)Typhula juncea zugeordnet. Und nun finde ich Sklerotien, die zu Typhula phacorrhiza gehören...


    Viele Grüße und entspannte Rest-Weihnachten

    Rika

  • Hallo Rika,

    Könntest Du, Thorben, mir noch verraten, wie Du auf phacorrhiza gekommen bist?

    Ich bin zufällig darauf gestoßen als ich andere Anfragen mit diesen Gebilde entdeckt habe, wo die T. phacorrhiza bestimmt wurde, leider ohne richtiger Begründung.

    Dann gegoogelt und T. phacorrhiza scheint passend zu sein für diese weißen Gebilde, wobei natürlich auch andere Arten (vielleicht auch unbeschriebene ?) in Frage kommen könnten.

    Du hast nur grob Sporen gefunden und gemessen, was aber passen könnte zu T. phacorrhiza, auch wenn die Sporen bei dir kleiner sind.

    Eine 100% sichere Bestimmung kann ich dir mit der T. phacorrhiza nicht geben, aber vielleicht eine gute Richtung, die zu einem plausiblen Arbeitsnamen führt.

    Vielleicht sind auch alle Sklerotien, die als T. phacorrhiza bestimmt wurden, etwas anderes ;)


    VG : Thorben

  • Hallo Thorben,


    dann bleibt die Bestimmung wohl etwas vage als T. (cf) phacorrhiza. Aber spannend und lehrreich war es trotzdem!


    Wie schon gesagt, über die Typhula-Sklerotien finde ich wenig Beschreibungen. Im ganz oben erwähnten Schlüssel werden 36 Arten ausgeschlüsselt, bei 4 Arten gibt es Zeichnungen von den Sklerotienplatten – weder vom Typ/Aussehens meines Fundes noch explizid von T. phacorrhiza. Nun könnte man etliche Arten ausschließen – die ohne Sklerotien + die mit anders gearteten Platten + ohne Schnallen + auf falschem Substrat – und so die Anzahl der möglichen Arten erheblich reduzieren. Ich gebe zu, dass ich mir diese Mühe nicht gemacht habe, weil es mir so aussichtslos erschien: Ob man nur anhand eines Sklerortiums die Art bestimmen kann, ist wahrscheinlich gar nicht bekannt.


    Was die Sporen betrifft, die ich gefunden habe: Da es ja Typhula-Arten gibt, die sehr kleine Frk. ausbilden, hatte ich anfangs schon eine gewissen Hoffnung, dass sie Aussagekraft haben könnten. Sollte es sich jedoch wirklich um T. phacorrhiza handeln, so kann man sie vergessen – ohne reife Keule keine Sporen.


    Gerade habe ich meine inzwischen eingetrocknete Aufsammlung angeschaut: Die Sklerotien sind jetzt braun geworden und etwas eingefallen – nun sehen sie so aus, wie auf den Abbildungen, wenn Frk. daraus entstanden sind. Ich habe sie mit den Substratblättern mal eingeweicht und raus gestellt – vielleicht fruktifizieren sie ja, und es käme so zu einer sicheren Bestimmung?! :D


    Viele Grüße – Rika

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