Ein Habichtspilz aus dem Kalkbuchenwald

  • Hallo zusammen,


    ich habe in einem Kalkbuchenwald auf einem westexponierten Hang ein Sarcodon gefunden. Mit dem kommentierten Schlüssel von Peter Otto komme ich zu S. imbricatum. Das passt von der Ökologie gar nicht! Es gab dort nur Buchen.


    Folgende Merkmale habe ich zusammengestellt:

    Hut grob schuppig, braun, wie S. imbricatus (Foto 2). Stiel weiß an der Basis etwas gräulich, aber nicht irgendwie grün (Foto 1). Fleisch ohne Verfärbung. Geschmack mild mit deutlicher, süßlicher Komponente. Gruch herb würzig wie S. imbricatus.

    KOH im Fleisch oliv, auf dem Hut schwarz, fast blauschwarz (Foto 3). Schnallen an den Hyphen vorhanden (Foto 4). Sporen 5,4-6,3-7,3(7,4) x 3,9-4,6-5,2 µm (Foto 5).


    Wenn ich die gräuliche Farbe an der Stielbasis als grünlich interpretiere, würde vielleicht S. scabrosus passen. Der wächst ja auch im Laubwald. Aber mein Pilz war keine Spur bitter.


    Wer könnte mir da noch einen Tipp geben.

    Viele Grüße

    Christian

  • Hallo Christian,

    zwar habe ich "null Ahnung" von den Arten mangels eigenen Funden, aber ich habe in dem o.g. Text nachgelesen.

    https://www.zobodat.at/pdf/Boletus_21_0001-0021.pdf

    "Peter Otto, Kommentierter Bestimmungsschlüssel der terrestrischen Stachelpilze Deutschlands mit taxonomischen und nomenklatorischen Anmerkungen".

    Der Text ist ja schon von 1997, da wird auch noch nicht zwischen S. imbricatus und squamosus unterschieden (?)


    Ich meine jedoch, dass man S. scabrosus ausschließen kann (abgesehen von Geschmack und Farben), denn dieser hätte keine Schnallen. (EDIT: in der ersten Textversion hatte ich versehentlich das "keine" unterschlagen).

    In einem anderen Forum hatte ich auch mal gelesen, man solle das untere Stielfleisch im Schnitt beurteilen (also nicht nur außen), das konnte ich hier jetzt nicht so nachlesen.


    Zur Mykorrhiza ... zwei Möglichkeiten: entweder es wurde ein kleines Nadeldingelchen übersehen oder S. imbricatus kann auch mit Buche :/.

    Die M. mit Picea wurde nachgewiesen (ältere Arbeit von Agerer). Aber wenn man die Pilze überwiegend dort findet und auch die tatsächliche Verbindung nachweisen konnte, bedeutet das ja nicht, dass andere Partner 100proz. ausgeschlossen sind. Andere Arten der Gattung können lt. Literatur mit sehr verschiedenen Bäumen, Nadel- und Laubbäumen, Mykorrhiza bilden.

    Zumindest soll Sarcodon imbricatus sehr bodenvag sein, z.B. was den Basengehalt betrifft.


    Ich bin dann noch auf einen interessanten Text gestoßen (von 2008, das sollte man lt. Autor erwähnen, weil sich manches schon wieder weiterentwickelt hat).

    Hydnaceous fungi of the Czech Republic and Slovakia

    "Hydnaceous fungi in Central Europe with special regard to the Czech Republic and Slovakia, Petr Hrouda"


    Darin wird erwähnt, dass man auch das Stielfleisch unten betrachten soll. Seltsamerweise wird z.B. bei S. imbricatus betr. Kontext (Stielfleisch) "not changing colour in KOH" angegeben. Vermutlich wird ein bräunlicher Fleck bei weißem Fleisch mit Tendenz zur Bräunung als negativ gewertet.

    S. scabrosus soll mit KOH im Stielfleisch blau-grün werden.


    Zur Mykorrhiza steht da bei S. imbricatus und squamosus:.

    "Accompanying trees (S.imbricatus). The literature mentions coniferous trees, which is confirmed in our countries (see note at S. squamosus). Sarcodon imbricatus mostly accompanies Picea as its symbiont, but compared to some other species, it is probably not strictly associated with natural Picea forests."

    "Accompanying trees (S. squamosus). Literature presents Pinus, what is more or less confirmed in the studied area, but in some cases of reliable identification the data on the herbarium labels do not confirm the supposed association of S. squamosus with Pinus and S. imbricatus with Picea."


    VG

    abeja

    ... P I L Z E ... können unterirdisch, "unterirdisch", oberirdisch oder "überirdisch" sein.  :S 




  • Hallo Christian,


    vielleicht hilft dir diese Arbeit weiter:


    Nitare J, Ainsworth AM, Larsson E, et al (2021) Four new species of Hydnellum (Thelephorales, Basidiomycota) with a note on Sarcodon illudens. Fungal Systematics and Evolution 7:233–254. https://doi.org/10.3114/fuse.2021.07.12

    Dort wird z. B. auch ein Hydnellum fagoscabrosum beschrieben.


    Sarcodon wird dort zum größten Teil als Section Scabrosi innerhalt von Hydnellum gehandelt. Es wurde in einer früheren Arbeit (Larsson K-H, Svantesson S, Miscevic D, et al (2019) Reassessment of the generic limits for Hydnellum and Sarcodon (Thelephorales, Basidiomycota). MycoKeys 54:31–47. https://doi.org/10.3897/mycokeys.54.35386 ) schon gezeigt, dass die traditionelle Trennung von Hydnellum und Sarcodon nicht aufrecht erhalten werden kann.


    Beste Grüße - Kai

  • Hallo Kai,


    der Artikel ist ja sehr interessant! Vielen Dank! Wenn Hydnellum fagiscabrosum dem Gallenstacheling (H. scabrosum) nahesteht, dürfte die neue Art keine Schnallen haben. Ich werde mir die Beschreibung der neuen Art per Gelegenheit suchen und durchschauen.

    Weil ich bei meinem Pilz Schnallen gefunden habe glaube ich eher an den Tipp von Abeja. Vielleicht ist es ein "verirrtes" Sarcodon squamosus.

    Eventuell habe ich die Septe auf meinem Foto falsch beurteilt. Aber ich meine, so sieht eine Schnalle bei vielen Pilzen aus. Oder es gibt noch eine dritte Art in diesem clade, die mit Buche assoziiert ist. Ich hoffe, dass ich am Standort noch ein jüngeres, besser erhaltenes Exemplar finde um mehr Merkmale zu sammeln.


    Weißt du, was die KOH-Reaktion bei Hydnellum/Sarcodon aussagt? Vielleicht kann man über dieses Merkmal auf den passenden clade schließen.


    Beste Grüße

    Christian

  • Hallo Christian,


    Hydnellum (Sarcodon) squamosum hat sehr dunkle Fruchtkörper, die müssten schon sehr lange gelitten haben, dass sie so aussehen wie deine Aufsammlung. Siehe zum Vergleich hier im Fundkorb: https://fundkorb.de/pilze/sarc…osus-kiefern-habichtspilz

    Ich halte es für unlogisch, dass diese Art, die eher typisch für Flechtenkiefernwälder ist, im Kalkbuchenwald vorkommen soll.

    Ich habe leider wenig Erfahrung mit der Mikroskopie von Thelephorales. Bei dem Bild der Septe wäre ich mir nicht sicher, dass das wirklich eine Schnalle ist.


    Es gibt im Laubwald auch noch H. illudens und H. nemorosum, die Beschreibungen sind im Artikel von Nitare et al. 2021 alle enthalten. Frisches Material wäre sicher hilfreich.


    Ich bin auf jeden Fall gespannt, was herauskommt!


    Beste Grüße - Kai

  • Hallo zusammen,


    wenn ich mir die Arbeit von Nitare et al. (2021) so ansehe, drängt sich mir der Gedanke auf, dass in den Sektionen Violacei und Scabrosi ohne Genetik kaum noch gefestigte Bestimmungen möglich sind. Allein im clade von Hydnellum illudens wurden in den Herbaren 8 verschiedene Arten zu H. illudens revidiert. Die Autoren schreiben in der Diskussion ja auch schon folgende Schussfolgerung:

    "Wenn der Lebensraum Mischwald ist, kann eine Identifizierung allein anhand der Morphologie keine zuverlässigen Ergebnisse liefern, und es sollte eine DNA-Sequenzierung in Betracht gezogen werden."

    Nach älterer Literatur war über KOH Reaktionen, Mykorrhizapartner, Sporengrößen und Schnallenverhältnissen noch eine Zuordnung zu einer damals bekannten Art eher möglich, obwohl Stachelinge noch nie leicht zu bestimmen waren, was für die meisten Thelephorales gilt.


    Beste Grüße

    Frank

  • Hallo Kai,


    die abgebildeten Exemplare von H. illudens sehen meinem Pilz in der Tat recht ähnlich. Leider war von der Stielbasis nicht viel erhalten. Es wäre gut zu wissen, ob das Fleisch dort grün war. Ich muss den Standort nochmal aufsuchen. Da erscheinen bestimmt nochmal Fruchtkörper.


    Beste Grüße

    Christian

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