Servus Craterelle...
Genau die stehen allerdings tasächlich als Untergattung (Amanita subgen. Amanitopsis - Scheidenstreiflinge) auf der Positivliste. Ist auch der einzige Fall, und ich denke, es wird sorgfältig erwogen worden sein. Inwiefern ist das jetzt "mehr als problematisch"?
... das war mir jetzt gar nicht bewusst, aber gut, dass du es schreibst. Ich finde weniger das konkrete Beispiel als dieses generelle Festhalten an Umkehrschlüssen problematisch.
Ich kenne keinen giftigen Scheidenstreifling. Ich weiß aber nicht, ob alle essbar sind. Ich gehe davon aus, dass die großen, sammelbaren Scheidenstreiflinge aus normalen Wäldern essbar sind und hätte keine Bedenken, einen großen, braunen Streifling als essbar freizugeben.
Ich weiß aber nicht, ob beispielsweise Amanita friabilis essbar ist. Die Art ist sehr selten und wächst dort, wo man gewöhnlich keine Speisepilze im Herbst sammelt - in Erlenbrüchen.
Ich weiß auch nicht, ob die beringten Scheidenstreiflinge wie z.B. Amanita basii essbar sind.
Ich weiß aber, dass in der Gattung Amanita sowohl essbare als auch giftige Arten vorkommen. Bei Scheidenstreiflingen, die schwer auf Artebene bestimmbar sind, wurde bisher meist nur auf Sektionsebene gesammelt und verzehrt. Aber eben wohl nicht alle Arten.
Frühe rhieß es mal, alles, was an Holz wächst ist essbar, wenn mild im Geschmack und nicht zu hart. Später hieß es, es gebe keine giftigen Porlinge.
Beide Aussagen waren falsch, wie man heute weiß.
Früher hieß es, alle milden Schleierlinge seien essbar. Die Aussage hat sich als falsch herausgestellt.
Man hat sie dann auf "alle milden Schleimköpfe sind essbar" eingeegnt. Auch diese Aussage gilt heute als falsch. Man findet sie noch im Moser-Schlüssel kleingedruckt (war wohl von einer früheren Ausgabe übernommenworden). Später hieß es, alle weißfleischigen Schleimköpfe seien essbar...
Ich finde die Umkehrschlüsse von "keine giftige Art bekannt" in "alle Arten sind ungiftig" eben sehr problematisch.
Wo gibt es die Regel noch? Ach ja, die Stäublings-Regel (weichfleischig und weißes Fleisch = essbar) - da sind es aber so wenige Arten, das ssie wohl stimmt. Aber selbst da weiß ich nicht, ob auch schon Moorstäublinge gegessen wurden. Vermutlich ja... aber ich weiß es nicht.
Alle milden Täublinge sind essbar - vermutlich ja. Viele sammeln so und gäbe es giftige, milde, wäre das wohl rausgekommen (wohl, vielleicht, möglicherweise).
Ich persönlich gebe nur Täublinge frei, die ich zumindest auf Aggregatsebene bestimmen kann. Die "Täublingsregel" wende ich nur zur Kontrolle an, wenn ich eine Art als essbar erkenne, weil ich meine, sie zu kennen.
Alle Riesenschirmlinge sind essbar - man erkennt sie am beweglichen Ring. Das wurde früher so gelehrt. Deshalb gab es in den 80er Jahren eine Vergiftung mit dem Jungfernschirmnling in der ehemeligen DDR (Pilzberatung!).
Später beschrieb Bon Macrolepiota venenata... Egal, ob das ein Phantom ist oder nicht, heute geht man davon aus, dass Chlorophyllum brunneum giftig ist, von Chlorophyllum molybdites weiß man es (kommt in Deutschland nicht vor, noch nicht..., aber in den Beneluxstaaten, in Italien usw).
All diese Regeln dienten dazu, Pilze essen zu können, ohne sich Artenkenntnis anzueignen (alle Riesenschirmlinge, alle milden Täublinge, alle...). Bei Artengruppen, die übersichtlich sind (alle Milchlinge mit roter Milch), wurde das sicher ausreichend getestet, sprich gegessen. Bei den Gruppen, bei denen nicht alle Arten ausreichend getestet wurden, ist das halt erhofft/vermutet/erraten.
Ein letztes Beispiel:
Oft wird behauptet, alle Weichritterlinge seien essbar (bis auf die wenigen ungenießbaren). Wer bitte hat das getestet? Wer bitte isst Weichritterlinge bis aug z.B. Melanoleuca cognata, der leicht kenntlich ist?
Diese Vereinfachungsregeln sind gut und schön. Wenn sie aber nur geraten sind, weil bislang noch nbichts giftiges bekannt war, finde ich sie problematisch. Und hierbei auch das Denkmuster - nichts giftiges bekannt = essbar - das ist in sich formallogisch falsch. Und wir haben keine Notzeiten, in denen man das Risiko eingeht, weil man sonst verhungert.
Würde auf der Liste zu den Scheidenstreiflingen stehen: "keine giftigen (heimischen) Arten bekannt, vermutlich alle essbar" wäre die Aussage richtig. Und sie würde dazu animieren, vielleicht doch mal Arten zu unterscheiden oder Aggregate.
Fehlt es da an Aufklärung, dass man Giftpilze mitnichten am schlechten Geschmack erkennen kann?
Nein, aber wenn ich zu einem Pilzberater gehen würde, der einen so widerlich schmeckenden Pilz als Speisepilz freigegeben hat, dann würde ich vermuten, dass sich der Pilzberater bei seiner Bestimmung verhauen hat. Dann weiß ich nicht, ob das, was ich probiert habe, giftig oder essbar ist. Mein Vertrauen in ihn wäre nachhaltig erschüttert.
Hätte er gesagt "der gilt als ungiftig, wird in manchen Büchern als essbar bezeichnet - ich habe aber mal ein ganzes Gwericht weggeworfen, weil er so widerlich schmeckt, dass..." und dann geraten, falls man doch probieren wolle, eine kleine Menge als Test zuzubereiten und zu kosten, bevor man alles in die Pfanne haut - denn Geschmack ist teils sehr unterschiedlich, manche genießen, was andere als absolut widerlich empfinden (Stinkkäse, Leber usw.) - dann würde ich mich gut beraten fühlen.
Liebe Grüße,
Christoph